Hartings Wurf gegen Gauck

Baden-Baden - Robert Harting war mal wieder in seinem Element. Der erfolgreichste deutsche Leichtathlet der letzten Jahre sieht sich ja gerne als Chefkritiker seines Sports, noch dazu als Reformator.
Nach seiner Ehrung zum Sportler des Jahres in Baden-Baden geriet Bundespräsident Joachim Gauck ins Visier des Diskuswerfers.
„Das ist das falsche Signal“, sagte Harting zum abgesagten Olympia-Besuch Gaucks in Sotschi 2014. Auch Christina Obergföll, die Sportlerin des Jahres, stieg auf Hartings Kritik ein. „Ich finde den Verzicht des Bundespräsidenten auf die Sotschi-Reise sehr schade. Wenn er schon keine politischen Gründe dafür anführt, wirkt das auf mich so, als würde er unserem Sport die willkommene Unterstützung versagen“, sagte sie.
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Gauck hatte vor einer Woche erklärt, er werde die Winterspiele nicht besuchen, dies aber nicht offiziell begründet. Interpretationen, er verzichte aus Protest gegen die umstrittene Politik von Präsident Wladimir Putin und die Menschenrechtssituation in Russland auf einen Besuch in Sotschi, hat der Bundespräsident bislang allerdings nicht zurückgewiesen.<WC> Im Gegenteil: Im Vorfeld hatte der Bundespräsident die Menschenrechtssituation in Russland angeprangert.
Den Sportlern geht es aber weniger um das politische Signal als vielmehr um die öffentliche Würdigung ihrer Leistungen. „Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel die Fußball-Nationalmannschaft im Trainingslager besucht, hat das eine starke Symbolik. Es heißt für die Bevölkerung: Das ist ein wichtiges Ereignis. Und wenn Joachim Gauck nicht kommt, ist das auch ein Zeichen“, sagte Harting.
Schon vor den beiden Sportlern hatte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel via „FAZ“ Gaucks Olympia-Verzicht kritisiert. Wäre sie vom Bundespräsidialamt rechtzeitig über Gaucks Pläne informiert worden, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Blatt, hätte man Gauck von diesem Schritt abgeraten.
Allerdings ist Gauck nicht alleine mit seinem Olympia-Boykott. Am Sonntag schloss auch Frankreichs Präsident Francois Hollande eine Reise nach Sotschi aus. EU-Kommissarin Viviane Reding sagte ebenfalls ab – mit Verweis auf die Politik Putins.
Russland steht vor Olympia auch wegen seines Anti-Homosexuellen-Gesetzes und der andauernden Unterdrückung der Opposition international in der Kritik. Bei den Sommerspielen und den Paralympics 2012 in London war Gauck vor Ort gewesen.
IOC-Präsident Thomas Bach glaubt indes nicht, dass Gauck aus politischen Gründen auf Olympia verzichtet. „Ich kenne Bundespräsident Gauck und weiß, dass er ein sehr direkter Mann ist. Wenn er seinen Verzicht als Protest verstanden gewusst haben wollte, hätte er dies auch so gesagt“, sagte er. Bach nannte für Gaucks Verzicht „ protokollarische“ Gründe.