„Harmonie bei Frauen? Wundert mich selber“
Biathlon-Star Magdalena Neuner startet am Freitag in Hochfilzen in die Weltcup-Saison. In der AZ spricht sie übers Waffelbacken, Seifenopern und die lästigen Folgen einer zu kleinen Garage
AZ: Frau Neuner, lassen Sie sich denn jetzt entwaffnen oder nicht?
MAGDALENA NEUNER: Meinen Sie die Sache mit dem Langlauf?
Genau die. Weil Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle Sie doch gerne in der Olympia-Staffel hätte.
Das ist auch eine große Ehre. Vancouver ist noch in weiter Ferne, aber logisch, irgendwo ist es schon im Hinterkopf drin. Andererseits find ich es auch blöd.
Blöd warum?
Weil wir doch schon gute Langläuferinnen haben. Die haben auch ohne mich in der Vergangenheit Medaillen gewonnen. Denen mag ich ja jetzt auch nicht reinspucken und einen Platz wegnehmen.
Aber die sind halt nicht so gut wie Sie. Bei einem Test in Finnland liefen Sie, Frau Neuner, kürzlich so schnell wie Kaisa Saarinen, die viermalige Weltmeisterin im Langlauf.
Schon, aber in erster Linie bin ich ja Biathletin. Das Gute ist ja, dass die Staffel bei Olympia ganz am Schluss kommt, da habe ich meine Biathlon-Wettkämpfe schon hinter mir. Da kann man immer noch schauen.
Ihr Boss hat es Ihnen ja schon erlaubt. Frauen-Trainer Uwe Müssiggang, der nach Olympia wahrscheinlich Cheftrainer wird und damit auch die Männer übernimmt.
Ja, das wird wohl so sein, aber wer wen trainieren wird, wissen wir auch noch nicht.
Ist ja auch schwierig einen zu finden, der zu den Frauen passt. Die Langläuferinnen weinen noch immer dem sanften Ismo Hämäläinen hinterher, der durch den rustikalen Janko Neuber ersetzt wurde.
Ach, so schwierig sind wir Frauen doch auch nicht.
Sagen Sie.
Gut, Frauen sind ein Thema für sich, mag schon sein. Der Uwe hat einfach immer das Gespür für uns gehabt, das war seine große Stärke. Der hat immer genau gewusst, wann er bei uns einfach mal still sein und nix sagen muss, damit was nicht falsch aufgefasst wird. Das kann bei uns Frauen leicht sein. Da hat er eine große Gabe, da tun sich andere sicher härter. Trotzdem, egal, wer der Neue ist, wir werden ihm das Leben nicht mit Fleiß schwer machen. Und wir sind eh eine verdammt harmonische Truppe.
Ehrlich?
Ehrlich.
Woanders rumpelt es permanent. Ob früher Claudia Pechstein und Anni Friesinger im Eisschnelllauf oder jetzt Sandra Kiriasis und Cathleen Martini, die weltbesten Bobfahrerinnen, die kein Wort miteinander sprechen. Je härter die Konkurrenz im eigenen Team, desto größer der Zickenalarm. Und gerade bei den erfolgreichen Biathletinnen ist das anders?
Ja. Fragen Sie mich nicht, warum. Mich wundert das selber. Selbst wenn wir wochenlang in Skandinavien sind, da gibt es keinen Lagerkoller. Das will was heißen. Und wir sind ja auch alle total unterschiedliche Charaktere. Ich komme einfach mit jeder gut aus. Erst zuletzt haben wir uns nachmittags nach dem Training alle auf dem Zimmer getroffen, uns Waffeln gemacht, Capuccino getrunken und „Sturm der Liebe“ angeschaut.
Und das ist was?
Eine Telenovela, so eine Soap, jeden Nachmittag im Ersten.
Aha.
Ja. Und später saß ich dann noch mit der Kati Wilhelm beieinander, auch ein ganz anderer Typ als ich, und wir haben uns über Weihnachtsgeschenke unterhalten.
Wie besinnlich und friedlich.
Ja. Auf jeden Fall friedlicher und ruhiger als an manchen Sommertagen daheim in Wallgau. Das war in dem Jahr schon auch wieder extrem. Die Fans, die dann an der Tür klingeln und damit in meine Privatsphäre eingreifen, da sind einfach Grenzen, die manche überschreiten. Viele sind ja ganz nett, aber manche fordern dann, dass man sich gleich eine Stunde Zeit nimmt für sie. Da kann ich recht resolut werden. Manche sind dann vielleicht beleidigt, aber das muss einfach jeder verstehen: Mein Zuhause ist mir heilig.
Woher wissen die eigentlich überhaupt, wo in Wallgau Sie wohnen?
Das ging vorletztes Jahr los, damals hatte ich meinen Audi A4 vom Skiverband vor der Tür stehen. Den erkennt jeder.
Und warum haben Sie ihn nicht in die Garage gestellt?
Weil die Garage zu klein war. Oder das Auto zu lang.
Und was fahren Sie jetzt?
Einen Q7.
Ist der kürzer?
Nein, länger. Aber das ist halt so, es ist ja auch nicht permanent, und dass ich wegziehe, kommt eh nicht in Frage. Ich bin durch und durch Wallgauerin, da nehm’ ich das auch in Kauf. Hier werde ich leben, auch nach meiner Karriere.
Und die ist wann zu Ende?
Das, wenn ich wüsste. Vielleicht mache ich bis 35 weiter, auch wenn ich mir das im Moment nicht vorstellen kann. Mag sein, dass ich aber auch schon mit 25 keine Lust mehr habe, dann höre ich eben dann auf.
Oder Sie werden Langläuferin. Langlauf hätte für Sie natürlich einen großen Vorteil gegenüber dem Biathlon.
Nämlich?
Da gibt es kein Stehend-Schießen.
Danke.
Bitte. War doch oft Ihr großes Problem, manchmal haben Sie da keine einzige Scheibe getroffen. Und außerdem täten Sie sich im hohen Alter auch leichter. Sie müssten nicht so viel mitschleppen.
Das stimmt schon, das merkst du auch, ob du mit oder ohne Gewehr läufst. So ein Teil wiegt dreieinhalb Kilo, und gerade in den schnellen Abfahrten wäre es schon angenehmer, wenn einmal nichts hinten am Buckel baumelt. Aber einen Wechsel für immer in den Langlauf, das kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin mit Leib und Seele Biathletin. Mein Gewehr gehört zu mir. Und übrigens: Wer sechsmal Weltmeister wird, hat beim Schießen nicht ganz so viel falsch gemacht.
Interview: Florian Kinast
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