Hansjörg Tauscher: Bezwinger der Klapperschlange

Vor 20 Jahren, am 6. Februar 1989, gewann der Polizist aus Oberstdorf sensationell Gold in der WM-Abfahrt von Vail. "Mein amerikanischer Traum."
Als Polizeihauptmeister Hansjörg Tauscher vor 20 Jahren durch die sogenannte Klapperschlangen-Gasse bretterte, war er schnell. Schneller als alle, die vor und nach ihm fuhren. So schnell, dass ihm sein heutiger Arbeitgeber dafür wohl die Fahrerlaubnis entziehen würde. Hansjörg Tauscher war freilich nicht auf einer für den öffentlichen Straßenverkehr zugänglichen Straße unterwegs – die „rattlesnake alley“ war die Schlüsselstelle einer Ski-Piste in Vail/Colorado. Und weil er gerade dort so schnell war, wurde Tauscher sogar belohnt: mit WM-Gold in der Abfahrt.
Der 6. Februar 1989 war in Deutschland der Rosenmontag, und es passt irgendwie, dass ein 21 Jahre alter (deutscher) Ski-Rennläufer ausgerechnet an diesem Tag die Weltelite zum Narren hielt. Tauscher kam als nicht ernstgenommer Außenseiter nach Vail, doch er studierte die „rattlesnake alley“, ein extra in den Hang gebautes, einer Bobbahn gleichendes Doppel-S, so akribisch wie keiner der Favoriten. Bei der Einfahrt in die „Gasse“ lag Tauscher noch hinten, bei der Ausfahrt vorne und im Ziel auf Platz eins vor den Schweizern Peter Müller und Karl Alpiger. Deren Landsmann Bernhard Russi, Olympiasieger 1972, hatte das kuriose Kriterium auf den Berg bauen lassen.
„Das war mein amerikanischer Traum“, sagt Tauscher über den schier unglaublichen Aufstieg vom Platzfahrer zum Weltmeister. Der Allgäuer bestritt 48 Rennen im Weltcup, 14-mal fuhr er dabei unter die ersten Zehn, aber nur einmal aufs Siegertreppchen. Gewonnen hat er vor und nach seiner halsbrecherischen, aber durchaus klugen Fahrt in Vail nichts. Das österreichische Sportmagazin hat kurz vor der WM 2009 in Val d'Isere noch einmal die größten Überraschungen bei den bisher ausgetragenen alpinen Titelkämpfen zusammengestellt: Auf Platz eins landete Tauscher.
Seit diesem 6. Februar 1989 hat kein deutscher Ski-Rennläufer mehr Gold in einem Einzelwettbewerb gewonnen, geschweige denn in der Abfahrt. „Das ist schon ein super Gefühl“, bekennt der mittlerweile 41 Jahre alte Tauscher, ohne dabei überheblich klingen zu wollen. In Wahrheit, betont er, „würde ich gerne irgendwo in einem Ziel stehen und irgendeinem Deutschen zum Abfahrtssieg gratulieren“. Dort würde er aber vermutlich vor lauter Warterei festfrieren. „Ganz nah dran war ja mal Florian Eckert“, erinnert Tauscher. Eckert gewann bei der WM in St. Anton 2001 sensationell die Bronzemedaille.
Doch Eckert trat nach der WM 2005 gesundheitsbedingt zurück, und die heutigen Vertreter der deutschen Abteilung Speed lösen eher zwiespältige Gefühle bei Tauscher aus. „Ich bin nicht mehr so nahe dran. Ich seh schon, dass sie sich entwickeln, aber ...“. Wehtun will Tauscher niemandem. Er war mal Trainer im DSV, und einige, die seinen Kader durchlaufen haben, durften jetzt zur WM. Vor sieben Jahren trennten sich die Wege des Verbandes und seines Weltmeisters, der dazu nur noch sagen mag, dass „wir halt unterschiedlicher Auffassung waren“. Aber man merkt: Es wurmt ihn schon noch.
Fast auf den letzten Drücker schlug Tauscher im Alter von 35 Jahren die Beamtenlaufbahn ein, heute ist er „ganz normaler Wach- und Streifenbeamter und stellvertretender Dienststellenleiter“ bei sich daheim in Oberstdorf, und er hat große Schwierigkeiten, „alles, was ich mache, in einen Tag zu bringen“.
Tausendsassa Tauscher ist gut beschäftigt: Der Skisport bestimmt nach wie vor einen Großteil seines Lebens, er kümmert sich um den Nachwuchs, bildet Skilehrer aus. Neuerdings bietet er Firmen, Gruppen oder Privatpersonen an, ihn zu buchen und mit ihm einen Skitag zu erleben.
Auf Trab hält Tauscher auch seine Familie, mit Freundin Margit hat er zwei Kinder, Felix (5 Jahre) und Anna (7). Und wer will, kann beim Weltmeister sogar wohnen: Er vermietet zwei Ferienwohnungen – sie heißen, wie könnte es auch anders sein, „Vail“ und „Colorado“. Eine „rattlesnake alley“ gibt es in Oberstdorf allerdings nicht. Vor der Haustür von Familie Tauscher führt die Rubingerstraße vorbei.