Hannawald fühlt sich wie Schumi

Der Ex-Skispringer gibt ein Comeback – im Rennwagen. Und er spielt Fußball in Neuried.
von  Abendzeitung
500 PS und ein Pilot: Sven Hannawald auf dem Porsche, in dem er künftig starten will.
500 PS und ein Pilot: Sven Hannawald auf dem Porsche, in dem er künftig starten will. © Minkoff/Augenklick

Der Ex-Skispringer gibt ein Comeback – im Rennwagen. Und er spielt Fußball in Neuried.

OBERSTDORF Auch im Cinecenter, in der Ludwigstraße von Oberstdorf, läuft zur Zeit natürlich der Kassenschlager von James Cameron. Avatar, der Streifen über computergenerierte Figuren fernab von diesem Planeten.

Da passte es ganz gut, dass am Sonntagabend eine Etage über dem Filmsaal Sven Hannawald da war. Denn was er in seinen Zeiten als Skispringer dem Publikum zeigte, war auch großes Kino. Aber auch er war damals gar nicht echt, sondern ein Kunstprodukt in einer fremden Welt. So fühlte er sich zumindest, wie er sagte.

Offen wie nie sprach das einstige Schanzenidol über seine Erfolge, seinen Ruhm und darüber, wie er sich selbst immer verleugnete und dadurch psychisch krank wurde.

Es waren diesmal keine Horden von wild gewordenen Teenagern, die vor der Türe standen, sondern nur ein Auto. Ein schnelles Auto. Ein Porsche, den Hannawald 2010 im ADAC GT-Masters fahren wird. Das ist die Serie unterhalb der DTM, aber auch da haben die Autos viele PS.

Früher, als Hannawald vor acht Jahren alle vier Tournee-Springen gewann, sagten die Menschen, er habe die Kraft eines Adlers. Jetzt hat er die Stärke von 500 Pferden.

Die neue Karriere als Autorennfahrer gebe ihm endlich wieder einen Sinn im Leben, sagte er. Um gleich danach einen Vergleich zu Michael Schumacher zu ziehen. „Der hat wie wir Skispringer auch das Adrenalin im Blut, der kann nicht davon lassen“, sagte Hannawald. „Andere Leute Freude sich über einen Bürojob oder wenn beim Spazierengehen die Sonne scheint.“ Das würde ihm nicht reichen, meinte er.

Und dann sagte er, dass er endlich wieder angekommen sei. Zurück in der Wirklichkeit.

"Ich lebe wieder ein normales Leben"

„Ich lebe wieder ein normales Leben. Das war als Skispringer nicht möglich.“ Weil er sich selbst belog und die anderen auch. „Ich bin oft gefragt worden: ,Sven, wie geht es dir?’ Und ich habe immer gesagt: Gut. Einfach damit ich meine Ruhe habe.“ Ohne zu wissen, wie es ihm eigentlich wirklich geht.

Doch mit den Jahren spürte er, dass es ihm immer schlechter ging. Die Seele tat weh, sagte er. „Ich bin zu vielen Ärzten gerannt, aber alle haben gesagt: ,Herr Hannawald, Ihnen fehlt doch gar nichts.’ Das war das Schlimmste, weil ich doch wusste, dass etwas nicht stimmte.“ Bis er einmal an den richtigen Mediziner kam, der bei ihm das Burn-Out-Syndrom diagnostizierte. „Der sagte mir dann, dass es wohl besser sei, wenn ich in eine Klinik gehe zur Therapie.“

Dabei ging es ihm gar nicht um die Angst, sich zu outen, nicht um die Diskussion, die es jetzt nach dem Selbstmord von Robert Enke gab, wie viel ein Spitzensportler von seiner Psyche preisgeben darf, ohne als Schwächling da zu stehen. „Das war mir egal, ich habe einfach nur gesehen, dass es für mich das Karriereende bedeutete, weil ich wusste, dass ich jetzt nur noch die zweite Geige spiele und nicht mehr belastungsfähig bin.“ Genauso wenig wie Sebastian Deisler, der zwar noch einen Comebackversuch wagte, dann aber aufgab.

Nun fährt Hannawald eben Auto. Auch wenn er von der Technik nicht den blassesten Schimmer hat. „Ich bin froh, dass es da gelernte Schrauber gibt“, sagte er. „Wenn ich so eine Kiste zusammenbauen müsste, dann würde wahrscheinlich ein Flugzeug draus.“ Mit dem Fliegen in der Luft kennt sich der Skispringer vielleicht eben doch noch besser aus als mit dem Autofahren auf der Piste.

Langfristige Ziele hat Sven Hannawald nicht. Das Leben genießen, in seiner neuen Münchner Wahlheimat, wo er inzwischen auch schon einen Fußballverein gefunden hat, so kickt er nach der Winterpause beim TSV Neuried. Fußballer in der Kreisklasse – das scheint ihm fast lieber zu sein als Skispringer in der Weltklasse. Auch wenn er an diesem Abend im Kino auftritt, braucht er keine Hauptrolle mehr. Erst recht nicht im falschen Film.

Florian Kinast

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