Hambüchen: Volles Risiko - Bretschneider turnt Reck-Hammer

Im Team-Finale haben die deutschen Turner nichts zu verlieren. Mit vollem Risiko gehen sie am Dienstag an die Geräte. Andreas Bretschneider plant einen spektakulären Reck-Flieger, den noch keiner vor ihm zeigte.
von  dpa
Andreas Bretschneider will am Reck eine noch nie gezeigte Übung bringen.
Andreas Bretschneider will am Reck eine noch nie gezeigte Übung bringen. © dpa

Im Team-Finale der Weltmeisterschaften von Nanning haben die deutschen Turner nichts zu verlieren. Mit vollem Risiko gehen sie am Dienstag an die Geräte. Andreas Bretschneider plant dabei einen spektakulären Reck-Flieger, den noch keiner vor ihm zeigte.

Nanning – Seine Konkurrenten staunten nur und spendeten in der Trainingshalle spontan Beifall. Andreas Bretschneider hatte vor den Augen der Topathleten aus aller Welt sein neues Flugelement am Reck perfekt demonstriert, das er am Dienstag im Team-Finale der Turn-Weltmeisterschaften vor über 9000 Zuschauern öffentlich vorstellen wird. "Es ist der Hammer", kündigte Fabian Hambüchen am Montag an. Einen Doppelsalto über die Reckstange mit zwei Schrauben hat noch nie ein Turner gezeigt. Sollte er dem Chemnitzer WM-Sechsten gelingen, würde das Element künftig als "Bretschneider" in das Regelwerk des Weltverbandes eingehen.

Der geplante Coup des Sachsen passt perfekt in den WM-Plan, den sich Hambüchen und Co. vor dem Mannschafts-Wettkampf zurechtgelegt haben. "Wir haben nichts zu verlieren und gehen volles Risiko", kündigte Hambüchen an, der seinen Rückschlag vom Reck-Vorkampf inzwischen offiziell "abgehakt" hat. "Die Stimmung da unten wird bei uns richtig eskalieren. Jeder hat voll Bock auf einen Super-Wettkampf. Ich würde nie sagen, dass wir Bronze schaffen", fügte er hinzu. "Aber vieles ist möglich."

Das sieht auch Bretschneider so, der eigentlich geplant hatte, das neue Super-Element im Reck-Finale zu zeigen. Doch wie Hambüchen scheiterte er mit seinem Vorhaben aufgrund der äußerst niedrigen Benotungen durch die Kampfrichter. "Am Reck sind wir beschissen worden", beklagte Cheftrainer Andreas Hirsch. "Jetzt wollen wir im Team-Finale zeigen, welche Ansprüche wir an diesem Gerät haben und dass wir zu Unrecht so mies bewertet wurden." Und einen gewissen Stolz spürt man ihm an, sollte erstmals seit Jahrzehnten wieder ein deutscher Turner einem Element seinen Namen geben dürfen. "Eine Tür wird aufgestoßen", meinte er.

Zwei Jahre hat Bretschneider im Training an dem Flieger gebastelt. "In den ersten eineinhalb Jahren habe ich ihn 800-mal geübt und vielleicht achtmal geschafft. Quote ein Prozent. Es war unheimlich schwer, ihn stabil hinzubekommen. Jetzt klappen etwa drei von vier Versuchen. Es ist unheimlich schön zu spüren, dass es geht", meinte er, nachdem er monatelang von den Kollegen nur belächelt wurde.

Unklar ist noch, welche Einstufung das Element im Code d'Pointage bekommt. "Ich hoffe, dass beim Weltverband die Vernunft siegt. Es muss als H-Teil (0,8 Punkte) eingestuft werden, damit es sich von anderen Fliegern auch abhebt", forderte Bretschneider. Er wäre dann auch der erste Turner der Welt, der ein Element mit diesem Schwierigkeitsgrad anbietet, bisher wurden H-Teile noch nie vergeben.

Auch Hambüchen hatte vor Jahren einmal erwogen, am Boden ein Element zu kreieren, dies dann jedoch verworfen. "Bei einem Ding soll Ebse Gienger weiter Vorsprung haben", sagte er schmunzelnd. Bei den deutschen Titelkämpfen hatte Hambüchen Ex-Weltmeister Eberhard Gienger im August mit 35 Titeln als Rekordmeister entthront.

Für den Saison-Höhepunkt seiner Riege zog Andreas Hirsch am Montag noch einen weiteren Joker aus dem Ärmel. So rückt Ersatzturner Daniel Weinert aus Kiel am Dienstag für Hambüchen am Pauschenpferd in die Riege, die im Vorkampf mit Platz sechs besser als erwartet abschnitt. "Wir nutzen hier wie andere Nationen die 6 plus 1-Regel aus, die es seit ein paar Jahren gestattet, auch den Ersatzturner auf diesem Weg zum Einsatz zu bringen", begründete der Cheftrainer die Nominierung des deutschen Meisters und spricht vom "guten Geist der Truppe". Dazu gehöre auch die Bereitschaft, stets alle Reserven aufzudecken.

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