Haching-Coach Paduretu: „Ich bin wie Forrest Gump“
Am Sonntag spielt Generali Haching um die deutsche Meisterschaft. Hier spricht der Coach, der nur für Volleyball lebt – sogar im Urlaub.
AZ: Herr Paduretu, Volleyball-Pokalsieger sind Sie bereits. Doch ab Sonntag, 15 Uhr, stehen gegen Serienmeister VfB Friedrichshafen die wichtigsten Spiele der Vereinsgeschichte an: Für Generali Haching geht es in der „Best of five"-Serie erstmals um die Meisterschaft. Nervös wirken Sie aber nicht...
MIHAI PADURETU: Die Anspannung ist schon da, aber wir freuen uns auf das große Finale. Wir sind sehr gut vorbereitet, die Halle wird ausverkauft sein, es wird tolle Stimmung herrschen.
Die Saison könnte traumhaft enden – mit dem Double. Ab wann wussten Sie, dass hier Großes entstehen kann?
Mit dem Sieg im Pokal-Halbfinale gegen Friedrichshafen war mir klar, dass wir einen Titel holen können. Vor der Saison dachten wir: Ein Finale wäre super – und jetzt sind es zwei! Aber wir sind noch nicht zufrieden. Allerdings ist es sehr sehr schwierig, dreimal in 14 Tagen gegen Friedrichshafen zu gewinnen.
Außerdem würden Sie Ihren Freund Stelian Moculescu, den VfB-Trainer, ärgern.
Ja. Er war mein erster Coach in Deutschland (in Dachau, d. Red.). Unter ihm habe ich sehr viel gelernt. Ich bin ihm dankbar. Ich mache mir nur Sorgen, wenn er diese Saison keinen Titel holt (lacht). Das wird schwer für ihn. Aber wie soll er lernen zu verlieren, wenn er nur gewinnt?
Mit Moculescu teilen Sie eine Volleyball-Besessenheit. Sie fangen morgens um acht Uhr auf der Geschäftsstelle an und haben einmal gesagt, dass Sie seit drei Jahren keine Freizeit mehr hatten. Wie gefällt das der Familie?
Meine Familie ist bei den Spielen ja immer dabei. Außerdem wohnen wir in der Nähe. Es gibt doch Schlimmeres, zum Beispiel, wenn man von Montag bis Freitag unterwegs ist. Außerdem hat mich meine Frau (Ofelia, d. Red.) ja so kennengelernt.
Gibt es in Ihrem Leben neben der Familie nur Volleyball?
Ja, entweder man macht etwas richtig oder gar nicht. Halbe Sachen gibt es bei mir nicht. Mit zehn Jahren habe ich angefangen Volleyball zu spielen – und seitdem gibt es nur diesen Sport für mich. Ich wollte nie etwas anderes.
Hand aufs Herz: Wie viele Stunden verbringen Sie in der Woche mit Volleyball?
Zu Hause abends die Videoanalyse, das Vorbereiten der Trainingseinheiten, der Bürokram – es sind viele, viele Stunden.
Trotzdem sind Sie bereits seit zwölf Jahren in Haching.
Es passt alles, es ist schön hier: die Nähe zu München, zu einer der schönsten Städte in Europa – dazu unsere schöne Halle. Ich sehe keinen Grund, hier weg zu gehen.
Aber woher holen Sie sich die Kraft für Ihren Job?
Es ist beruhigend, die Familie hinter sich zu wissen. Sie unterstützt mich immer. Früher bin ich Ski gefahren, aber wegen der Verletzungsgefahr kann ich das nicht mehr. Außerdem laufe ich viel. Ich bin wie Forrest Gump
Und wann darf Ihre Familie auf Urlaub mit Ihnen hoffen?
An Pfingsten fahren wir zwei Wochen am Stück weg: Mallorca! Und im August geht's für zwei Wochen nach Rumänien zu Freunden. Letztes Jahr waren wir in Spanien – und meine Frau war mir böse. Ich habe am Pool gelegen und sechs Stunden pro Tag am Laptop gearbeitet. Ich habe die neue Mannschaft zusammengestellt. Am Pool habe ich den Grundstein für diese Saison gelegt. Dieses Jahr hoffe ich, dass das Team zusammen bleibt. Wir wollen vor allem unsere drei wichtigsten Spieler, Liefke, Steuerwald und Stankovic, halten. Die möchten hier weitermachen. Es sieht so aus, dass ich das Laptop nicht mit an den Pool nehme.
Mehr Zeit hätten Sie wohl auch, wenn Sie ein lukratives Angebot eines großen Vereins annehmen würden, bei dem Sie dann nicht alles in Eigenregie machen müssten...
Nein! Das ist wirklich zwecklos. Geld ist nicht alles. Hier in Haching bin ich glücklich.
Außerdem gibt es ja Karl Pfister, den Chef von Hauptsponsor Generali. Er ist Fan und Geldgeber. Wie wichtig ist er?
Sehr wichtig! Er hatte den Mut in Volleyball zu investieren, das hatten andere nicht.
Aber fürchten Sie ab Sonntag nicht um dessen Gesundheit?
Warum?
Er sagt nach jedem Spiel, dass er das alles nervlich nicht mehr packt...
(lacht) Er ist eben ein sehr emotionaler Mensch, aber wir haben in der Halle die besten Ärzte der Nationalmannschaft – und hoffen, dass wir sie nie benötigen.
Trotz Pfisters Engagement: Gibt es noch Dinge, die Sie in Haching verändern wollen?
Wir sind erst auf der Hälfte unseres Wegs angekommen. Als ich vor zwölf Jahren kam, war mein Wunsch, dass ich hier ein Team bilden darf. Wir haben mit vier Leuten angefangen – und es wurde immer größer. Nun sind da dreißig Leute, die ehrenamtlich für den Verein arbeiten. Sie gehen über ihre Grenzen. Dennoch müssen wir noch professioneller werden. Wir brauchen noch zwei hauptamtliche, flexible Leute.
Sie selbst sind Trainer und Geschäftsführer in Personalunion. Ist denn der Boss eher Diktator oder Teamplayer?
Ich bin viel lockerer als früher, weil die Mannschaft professioneller geworden ist. Auf manche habe ich früher wie ein Fanatiker gewirkt, weil sie meine Grundregeln nicht kannten. Viele haben mich damals nicht verstanden. Aber einige, die heute Trainer sind, sind mir vielleicht dankbar.
Was sind denn die Grundregeln? Und wann werden Sie richtig böse?
Faulheit regt mich auf! Oder wenn ein Spieler abends vor einem Spiel um die Häuser zieht. Da werde ich grantig. Es geht nicht, dass Spieler zu oft Party machen. Es gab vor vier Jahren eine Saison, als ich das kontrollieren musste. Und ich habe es immer erfahren!
Klingt aber nach einem harten Regiment. Ihre aktuellen Spieler loben Sie dennoch.
Ich habe da einen Grundsatz: Ich würde nie mit den Spielern ein Bier trinken und auf Partys gehen. Die Spieler duzen mich zwar, aber zu viel Nähe ist nicht gut.
Interview: Reinhard Franke