Haas und die kecke Lisicki
LONDON - Mit einem meisterlichen Dreisatzsieg gegen den Russen Andrejew zieht der Deutsche erstmals in seiner Karriere ins Wimbledon-Viertelfinale ein. Sabine Lisicki folgt ihm. Der größte Erfolg der deutschen Tennis-Profis seit 13 Jahren.
Er hat nach einer kleinen Ewigkeit endlich die Erfolgsformel im All England Club raus und spielt, als ob er in einen Jungbrunnen gefallen wäre. Sie trumpft schon im zweiten Wimbledon-Jahr mit erfrischender Unbekümmertheit und fast wie eine Titelheldin der Zukunft auf. Und zusammen sind sie, Tommy Haas und Sabine Lisicki, das unheimlich starke deutsche Wimbledon-Pärchen, das mit einem einträchtigen Viertelfinalvorstoß den heiligen Grand Slam-Schauplatz an der Church Road kräftig durchrüttelt und daheim vielleicht Tennis-Deutschland aus dem Dornröschenschlaf weckt: In nur vier Stunden jedenfalls schrieben der rüstige Routinier Haas und das kecke Fräulein Lisicki am Montag den schönsten deutschen Wimbledon-Tag seit dreizehn Jahren in die Chronik fest - damals waren die spätere Siegerin Steffi Graf und der scheue Hesse Alex Radulescu ins Viertelfinale gestürmt.
Mit einer meisterlichen Rasentennis-Vorstellung beim 7:6, 6:4, 6:4-Sieg über den Russen Igor Andrejew hatte Haas (31) auf Court Vier die perfekte Steilvorlage für seine elf Jahre jüngere Landsfrau geliefert, die auf dem selben Platz dann den umjubelten 6:4, 6:4-Sieg über ihre langjährige Freundin Carolin Wozniacki (Dänemark) feierte.
Beeindruckende Vorstellung - heute und im ganzen Turnier“, sagte knapp und zutreffend Fed Cup-Chefin Barbara Rittner, „da ist noch ein bisschen mehr drin.“ Falschen Respekt hat Lisicki ja sowieso nicht mehr vor den Großen der Szene: „Das war ein Moment, der mir zeigte: Ich muss mich vor keiner Spielerin mehr verstecken.“ Auch nicht vor der Weltranglisten-Ersten Dinara Safina, die im Viertelfinale als nächste Hürde wartet.
Haas kennt seinen nächsten Gegner am Mittwoch, den Weltranglisten-Vierte Novak Djokovic, nur zu gut: Gegen den 22-jährigen Belgrader hatte Haas vor gut zwei Wochen die Gerry Weber Open im ostwestfälischen Halle gewonnen. „Er wird hier sicher mehr Gegenwehr leisten", prophezeite Haas. „Man merkt Tommy gerade in diesem Turnier die große Erfahrung an, die er in seiner langen Karriere gesammelt hat“, sagte Davis Cup-Teamchef Patrik Kühnen.
Die deutsche Tennis-Musik spielt in London. Mit einem Tommy Haas, der auch die Größten noch ins Schwitzen bringen könnte. Und mit der tüchtigen Sabine Lisicki, die wie Haas im Camp der Champions bei Nick Bollettieri in Florida ausgebildet worden ist. Ganz schnell ist Wimbledon für die Florida-Connection, das Traumduo aus zwei Generationen, zum grünen Himmelreich geworden.
Jörg Allmeroth