Haas: "Mein Ehrgeiz ist ungebrochen"

Tommy trifft bereits in Runde zwei der Australian Open am Mittwoch auf Mitfavorit Nadal. Wieso er am liebsten auf Court 7 gegen ihn spielen würde, erklärt der Routinier hier
von  Jörg Allmeroth

AZ: Herr Haas, mit welchen Erwartungen gehen Sie in diese Saison 2012 – nach all den Jahren mit immer neuen Verletzungen und immer neuen Comebacks?

TOMMY HAAS: Ich weiß, dass ich keine Grand-Slam-Titel mehr gewinnen kann. Das wäre Träumerei, reine Illusion. Ich will das Maximum für mich herausholen – und das heißt: Ein ordentlicher Platz in der Weltrangliste, vielleicht bis unter die Top 30 oder Top 40. Und ein Titel bei einem etwas kleineren Turnier. Das wäre doch ein schöner Erfolg.

Sehen Sie sich chancenlos im Spiel gegen die ganz Großen der Branche, gegen einen wie Nadal in der zweiten Runde der Australian Open?

Ich will natürlich kein Sparringspartner sein. Ich gehe raus, um zu gewinnen. Aber ich bin Realist geworden. Um Nadal zu schlagen, muss alles 100 Prozent passen. Eher 150 Prozent.

Verbittert Sie diese Erkenntnis eigentlich: Dass Ihnen diese ganzen Verletzungen so viele Chancen und Perspektiven geraubt haben?

Die Zeit, wo ich hätte heulen können darüber, ist vorbei. Ich habe mich damit arrangiert. Aber natürlich schießen einem immer mal wieder die Gedanken durch den Kopf: Warum ausgerechnet du? Warum musste das immer wieder dir passieren, warum konntest du dein Potenzial nicht ausschöpfen? Aber es gibt ja viel Schlimmeres im Leben.

Was hat Sie angetrieben bei diesen immer neuen Aufholjagden, nach insgesamt vier schweren Operationen?

Die Liebe zu diesem Sport. Er ist ein so wichtiger Bestandteil in meinem Leben. Das gibt man nicht einfach so auf. Ich hatte auch viel Unterstützung – durch meine Eltern anfangs, durch meine Verlobte Sarah später. Die haben immer gewusst, dass sie einen sehr unglücklichen Tommy Haas hätten ertragen müssen, wenn er denn das Handtuch geworfen hätte.

Was ist das heute für ein Gefühl, bei einem Grand-Slam-Turnier zu spielen?

Dankbarkeit, dass man dabei ist. Dass man wieder auf so einer großen Bühne auftreten darf. Dass man die Gelegenheit bekommt, gegen einen wie Nadal zu spielen. Mein Ehrgeiz ist eigentlich ungebrochen.

Gegen Ihren Erstrundengegner Kudla hatte es Sie aber zunächst mal in die Pampa verschlagen, in den Hinterhof des Centre Court.

Diese kleinen Plätze sind schwerer zu spielen als der Centre Court. Diese Hektik, dieser Trubel. Da kriegst du alles mit, das Niesen eines Zuschauers, das Rascheln einer Verpackung – und sollst dich eisenhart konzentrieren. Ich bewundere jeden Spieler, der sagt: Macht mir nichts aus, das blende ich weg. Gegen Nadal würde ich am liebsten auf Platz 7 spielen, mal sehen, wie er mit so einem Tumult klar käme.

Es gibt Gerüchte, dass Sie beim olympischen Doppelturnier antreten könnten. Zusammen mit Ihrem Freund Philipp Petzschner.

Er hat mir gesagt, dass er das durchaus gerne machen würde. Er müsste unter den Top Ten der Doppelwertung bleiben, dann könnte er sich aus den Top 200 der Rangliste einen deutschen Spieler aussuchen. Ich wäre wahnsinnig gerne noch einmal dabei, vor allem bei Olympischen Spielen in Wimbledon. Auch im Einzel, aber das ist weit weg. Da bräuchte ich wohl eine Wild Card.

Sie haben gesagt: Ich will in den nächsten Monaten eine ordentliche Weltranglisten-Platzierung schaffen, ich will bei den großen Turnieren mitspielen. Was passiert, wenn das nicht klappt?

Dann hätte ich sicher große Schwierigkeiten, weiter die richtige Motivation zu finden. Auch weil meine Familie Opfer bringt für den Profi Tommy Haas. Noch mal auf Challengerturnieren herumtingeln, um Punkte zu sammeln, das wird es eher nicht geben.

Ihre Mitstreiter Kiefer und Schüttler sind ja entweder schon im Ruhestand oder haben das Ende angekündigt.

Wir sind ja auch alle eine Wahnsinnszeit unterwegs gewesen auf der Tour. Und alle kennen daher ziemlich gut die eigenen Grenzen.

Ein Blick zur Spitze im Herrentennis. Machen die Großen Vier weiter alle entscheidenden Titel unter sich aus?

Eindeutig ja. Die werden die Grand-Slam-Pokale abräumen und auch sonst den Verfolgern wenig übrig lassen.

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