Gold-Rosi: „Olympia – da bekomme ich immer Gänsehaut“
Eine Woche vor Vancouver: Olympiasiegerin Rosi Mittermaier erinnert sich ans Herzklopfen bei ihrer ersten Eröffnungsfeier, den Rummel nach dem Triumph 1976 – und hofft auf München 2018.
AZ: Frau Mittermaier, Sie waren gerade bei TV-Aufnahmen für einen 60. Geburtstag. Schon für Ihren eigenen, den Sie im August feiern?
ROSI MITTERMAIER: Nein, es ging um eine Jubiläums-Show zu 60 Jahren ARD.
Und was haben Sie erzählt?
Von meinen ersten Erinnerungen ans Fernsehen etwa. Das war die Fußball-WM 1954. Wie ich auf dem Schoß meines Vaters gesessen bin und das Finale von Bern geschaut habe. Da war ich erst drei, aber das war ein prägendes Erlebnis. In einem Hotel in Reit im Winkl, ganz feudal mit allem Pipapo. Da gab es Tanztee und eben auch schon einen Fernseher. Ich werde nie vergessen, wie da dauernd die Männer ringsherum aufgesprungen sind und „Morlock“ geschrieen haben und „Rahn“. Das war Wahnsinn! Unvergessen auch noch der 100-Meter-Lauf vom Armin Hary 1960 in Rom – und natürlich die Mondlandung.
Lauter Sternstunden. So wie Ihre beiden Olympiasiege in Innsbruck 1976.
Schon, aber wissen Sie, fast noch stärker als bei den Goldmedaillen war mein Gefühl bei der Eröffnungsfeier 1968 in Grenoble.
Warum denn das?
Ich war noch ganz jung, das waren meine ersten Spiele. Das war ein Eindruck, der war einfach gewaltig, kaum zu beschreiben. Olympia, und du darfst dabei sein! Und als Alain Calmat, der Eiskunstläufer, als letzter Fackelläufer ins Stadion kam, und als er dann die Treppen hoch lief und sein Herzschlag über die Stadionlautsprecher wiedergegeben wurde, da bekomme ich heute noch Gänsehaut. Oder wie mir dann der Oleg Protopopow über den Weg gelaufen ist, der war ja 1964 schon Olympiasieger im Paarlauf, ein richtiger Star, und wir haben uns begrüßt, und ich habe „Servus“ gesagt, so etwas passiert dir halt nur bei Olympia.
Da passieren aber auch bittere Momente. Die ersten beiden Spiele liefen für Sie ja gar nicht gut.
Stimmt schon. 1968 etwa, da hatte ich bei der Abfahrt die Startnummer 18. Als die anderen deutschen Läuferinnen schon unten waren, haben wir gemerkt, dass wir total verwachselt haben. Also hat eine Betreuerin noch versucht, mit einem Küchenmesser das Wachs vom Belag herunterzukratzen, aber genutzt hat das alles nix mehr. 1972 dann hatte ich ja schon Rennen gewonnen vor den Spielen von Sapporo, die Journalisten haben mich schon hochgeschrieben zur Favoritin, aber da hat es auch nicht hingehauen mit einer Medaille.
Sie sind aber nicht zerbrochen daran.
Nein, weil ich den Sport nie so ganz ernst genommen habe. Das war immer eine schöne Nebensache, ich habe ihn aber auch nie überbewertet. Deswegen habe ich mich als Mensch auch wegen der beiden Olympiasiege 1976 nicht groß verändert, ich habe mich danach nicht anders benommen als vorher.
Aber Ihr Leben hat sich schon verändert.
Ja, das hat es. Weil man dann sieht, wie die Leute darauf reflektieren, was das für eine Dynamik bekommt. Dass man für die Menschen dann plötzlich unsterblich wird. Mich fragen die Leute ja manchmal, was das für ein Gefühl sei, wenn man da ganz oben steht und die Medaille umgehängt bekommt.
Und, was ist es für eins?
In dem Moment ein ganz anderes als man sich vorstellt. Als ich davor andere Siegerehrungen gesehen hatte, habe ich eher Tränen in den Augen gehabt als bei meinen eigenen. Ich habe immer geschaut, wo ist mein Trainer, meine Familie, meine Freunde. Ich habe an die beiden Läuferinnen links und rechts von mir gedacht, an die Vierte, wie bitter das jetzt für die sein mag. Und dann natürlich, wenn du die Hymne hörst, ist das schon was einzigartiges.
Konnten Sie die beiden Goldmedaillen denn richtig feiern?
Erst einmal gar nicht. Da wirst ja richtig durch die Mangel gedreht als Olympiasieger. Eine Pressekonferenz nach der nächsten, Ehrungen, TV-Interviews, Zeit zum Feiern im kleinen Kreis war da nicht. Nach dem Ende der Spiele bin ich dann abgeholt worden, da dachte ich: „Fein, jetzt geht es heim auf die Winklmoosalm.“ Nix war's. Da bin ich erst mal nach München zum Empfang beim Ministerpräsident Goppel. Und auf der Heimfahrt gab es einen richtigen Konvoi, wo wir ab Bernau in jedem Ort gehalten haben, mit unglaublichen Menschenmassen am Straßenrand. Da habe ich dann erst richtig gemerkt, was Olympische Spiele eigentlich für eine Dimension haben.
Das werden Sie jetzt in Vancouver auch wieder erleben, allerdings in anderer Funktion.
Ja, ich betreue da unser olympisches Jugendlager, bin mit 45 jungen Sportlern dort, die sind 16 bis 18 Jahre alt, da geht es um Sport, vor allem aber um internationale Begegnungen.
Dass sie auch Servus sagen, so wie Sie damals dem Protopopow.
Genau so.
Die könnten dann ja in acht Jahren als Aktive mit dabei sein, bei den Spielen von München 2018.
Wenn wir den Zuschlag bekämen, das wäre wundervoll. Wenn ich denke, was 1972 bewirkt hat, wie das München weiter gebracht hat - wenn ich denke, wie auch ein Ort wie Garmisch-Partenkirchen davon profitieren könnte. Darum ist es jetzt so wichtig, dass man alles dafür tut, die Leute einzustimmen, den Spirit rüberzubringen, wie schön das wäre, wenn die große weite Welt zu uns kommt, wenn wir uns noch weiter öffnen.
Nur ist der Spirit bisher nur begrenzt angekommen, der Enthusiasmus hält sich ja noch in Grenzen, es gibt viele Olympia-Gegner und Kritiker.
Kritik ist immer erlaubt und auch ganz wichtig. Jeder soll sich einbringen, aber es muss konstruktiv sein. Ich sehe die Spiele 2018 einfach als große Chance, vor allem was die Umweltverträglichkeit angeht, die Nachnutzung, das meiste an Infrastruktur ist ja schon da.
Dann muss neben den Kritikern nur noch das IOC überzeugt werden, bis zur Vergabe 2011.
Dann ginge ein Traum in Erfüllung. Ich habe ja immer gesagt, eine Hochzeit ohne Feier ist keine Hochzeit, darum waren mir die Eröffnungsfeiern bei Olympischen Spielen auch immer so wichtig. Und wenn ich jetzt an eine Eröffnungsfeier 2018 im Münchner Olympiastadion denke, auf die Gänsehaut Freude ich mich jetzt schon.
Interview: Florian Kinast