„Gold muss mich nicht trösten – Gold ist ein anderer Wert“

Tennis-Legende Roger Federer verlor erst Wimbledon und dann die Nr. 1. Ab Montag steht er nicht mehr an der Spitze der Weltrangliste. Jetzt feiert er sein Happy End.
von  Abendzeitung
Tennis-Star Roger Federer wird das Jahr 2008 schnell abhaken wollen.
Tennis-Star Roger Federer wird das Jahr 2008 schnell abhaken wollen. © dpa

Tennis-Legende Roger Federer verlor erst Wimbledon und dann die Nr. 1. Ab Montag steht er nicht mehr an der Spitze der Weltrangliste. Jetzt feiert er sein Happy End.

AZ: Herr Federer, ist olympisches Gold eine Entschädigung für den Verlust des Wimbledon-Titels und den Sturz von Platz 1 der Weltrangliste?

ROGER FEDERER: Diese Goldmedaille ist überragend. Sie steht für sich. Sie ist ein Traum. Es gibt keine Abwägung, keine Gleichung: Ich habe da etwas verloren und hier etwas gewonnen. Gold ist einfach einmalig, etwas völlig Außergewöhnliches. Da ist eine Sehnsucht erfüllt worden, die ich mein ganzes Sportlerleben lang hatte. Gold muss mich nicht trösten, Gold ist ein anderer Wert.

Also trauern Sie auch der verpassten Medaille im Einzel nicht hinterher?

Klar wollte ich hier auch alleine Großes schaffen. Aber im Doppel ist Gold sogar noch schöner. So eine Freude gemeinsam zu erleben, ist wunderbar. Es sind Augenblicke, die anders sind als alles, was ich bisher erlebt habe. Dieser Sieg steht auf einer Stufe mit allen Grand Slam-Siegen.

Geteiltes Gold ist also nicht halbes Gold?

Überhaupt nicht. Wenn man sieht, wie emotional sich Michael Phelps über seine Staffelmedaillen Freude hat, dann geht es ihm wohl genau so wie mir. Er genießt dieses Gold mehr als im Einzel.

Diese Siegerehrung war ja auch etwas Neues für Sie.

Ich habe soviele Athleten in den letzten Tagen bei der Zeremonie gesehen und gedacht: Mann, wäre das schön, auch da zu stehen. Und wenn du dann die Nationalhyme hörst, das halbe Schweizer Team auf den Tribünen siehst, dann spürst du die Unvergleichlichkeit dieses Abends, dieses Moments. Ich werde das sicher nie vergessen, es war ein Wahnsinnsmoment für uns, aber auch für das ganze Land. Das ist ein nationaler Feiertag.

Im normalen Tennisbetrieb spielen Sie kaum Doppel, nun sind Sie plötzlich Olympiasieger im Doppel.

Es passt sonst nicht in mein Programm. Ich kann nicht in Wimbledon im Doppel spielen. Wenn ich dann meinen Titel verliere, lachen mich die Leute aus und fragen sich: Ist Federer verrückt? Aber eigentlich bin ich ein Teamspieler. Ich habe in der Jugend immer in Mannschaften gespielt, im Fußball, im Basketball. Ich werde jetzt auch verstärkt im Davis Cup spielen.

Sie sind ab Montag nur noch die Nr. 2 der Weltrangliste. Sind Sie noch traurig über den Sturz von der Spitze?

Rafael hat eine Riesensaison hingelegt, und deshalb steht er jetzt auch verdient da oben. Das ist kein Desaster, ganz und gar nicht. Ich werde wieder attackieren, wieder neuen Schwung holen. Dieser Sieg in Peking gibt mir die richtige Motivation, er baut mich auf. Es ist halt so im Sport. Siege sind unersetzlich, Siege sind das beste Heilmittel.

Die Olympischen Spiele haben in Ihrer Karriere, in Ihrem Leben immer eine bedeutende Rolle gespielt. Was macht Sie so besonders für Sie?

Marc Rosset gewann 1992 die Gold für die Schweiz. Das hat mich als jungen Burschen inspiriert, im Tennis dran zu bleiben. Das war eigentlich der erste Traum, den ich hatte: Olympiasieger zu werden. 2000 habe ich dann in Sydney meine Freundin Mirka Vavrinec kennengelernt, ohne die ich nie erreicht hätte, was ich erreicht habe. Also: Olympia war gut zu mir. Und jetzt habe ich dieses Happy-End: Es ist so schön, dass ich es kaum glauben kann.

Beklagt haben Sie sich allerdings darüber, dass das Programm des Turniers zu dicht gedrängt sei, dass Sie kaum Zeit hätten, andere Sportler und Sportarten live zu sehen.

Ich bin meist mitten in der Nacht, drei oder vier Uhr, ins Quartier zurückgekommen – nach einem endlos langen Tag auf der Anlage, mit Einzel und Doppel. Das Turnier wird in acht Tagen unerbittlich durchgepeitscht, so reingezwängt, dass es wehtut. Das muss sich ändern.

Interview: Jörg Allmeroth

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