Gold für Gewichtheber Steiner: Herzergreifend!
München - Es war dieser eine Tag, diese sportlich herausragende Leistung, aber vor allem: dieser emotional berührende Moment, der Matthias Steiner zur Berühmtheit werden ließ. Über Nacht wurde der gebürtige Österreicher, dieser 145-Kilo-Koloss mit der Teddybär-Optik, zum Star.
Selbst das Fernsehen hatte Steiners Coup bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking nicht auf der Rechnung: Als man bei der Liveübertragung inmitten dieses typischen Gewirrs an Sportarten plötzlich zum Gewichtheben schaltete, zum Wettbewerb im Superschwergewicht, raunte der Reporter den überraschten Zuschauern zu: "Und wenn Matthias Steiner diese Last jetzt hebt, dann hat er Gold!"

Olympia-Gold für Steiner: Er jubelt wie ein Flummi
Diese Last, das waren 258 Kilogramm im Stoßen, zehn Kilo über seiner bisherigen Bestleistung. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Doch Steiner hatte die Worte seines Trainers Frank Mantek im Kopf.
"Die ganz großen Athleten zeichnet eines aus: Sie haben viele Wettkämpfe, aber nur ganz wenige, bei denen es nur einen einzigen Versuch gibt, der über alles entscheidet – der das Leben verändern kann. Diese Chancen zu nutzen, unterscheidet die großen Athleten von den guten Athleten", so hatte es Mantek ihm eingeimpft.
Und Steiner kürte sich tatsächlich zu einem dieser großen Athleten, er stemmte die 258 Kilo über seinen Kopf, schrie, ließ die Hantel fallen, sackte auf die Knie nieder, schlug mit der Hand auf den Boden, sprang wieder auf, wie ein Flummi durch die Gegend, fiel seinem Trainer Mantek um den Hals. Olympiasieger! Er war kaum mehr zu bändigen.

Steiner: "Du kriegt die Bilder nicht mehr aus dem Kopf"
Später, bei der Siegerehrung, lernte die Welt den nachdenklichen, den traurigen Steiner kennen. Mit einem Foto seiner im Juli 2007 bei einem Verkehrsunfall gestorbenen Ehefrau Susann stand er auf dem Siegertreppchen, immer wieder küsste er das Bild, das er bei jedem Training, bei jedem Wettkampf in der Tasche hatte, hielt es für die Fotografen in die Kameras.
"Ich wollte zeigen, dass ich nicht alleine da oben stehe", sagte er, "dieses Gold widme ich Susann. Ich hoffe und denke, dass sie das mitbekommt."
Rückblick: Der 16. Juli 2007. Matthias Steiner hat abends daheim gekocht, er wartet auf seine Frau Susann. Doch Susi kommt nicht, stattdessen klingelt das Telefon, die Polizei ist dran. Susann habe einen Autounfall gehabt, sie liege im Krankenhaus.
Ein Jeep war auf die Gegenfahrbahn gekommen, er hatte die damals 22-Jährige in ihrem Nissan Micra in der Nähe von Heidelberg gerammt. Sofort macht sich Matthias auf den Weg, packt sogar noch Wäsche und ein Plüschtier ein. "Es ist der Horror, du kriegst die Bilder nie wieder aus dem Kopf", sagte er zehn Jahre später in der Vox-Show "Ewige Helden".

Matthias Steiner: Olympia-Vorbereitung gibt ihm Kraft
"Du siehst schon Blutspuren, wenn du aus dem Aufzug steigst. Als ich rein bin zu meiner Frau, sagte mir die Ärztin: 'Sie lebt noch, aber nicht mehr lange'." Susann Steiner stirbt in der Nacht zum 17. Juli um 1.58 Uhr an ihren multiplen Verletzungen, bis zuletzt wacht Matthias an ihrem Totenbett.
"Das ist schwer zu beschreiben, du hast dir dein Leben eingerichtet. Es ist vom einen Tag auf den anderen auf einmal vorbei", beschreibt Steiner die Situation Jahre später. Er hat keinen Antrieb mehr, "der Lebensinhalt war weg".
Neue Kraft gibt ihm die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele. Nach einem Streit mit dem österreichischen Verband beantragt er die deutsche Staatsangehörigkeit. "Ich habe nur trainiert. Essen, trainieren, schlafen", sagte Steiner.
Es war seine Art der Verdrängung, seine Trauertherapie. Im Dezember 2008 lernt Steiner, der 2013 seine Karriere beendet und seitdem 45 Kilogramm abgenommen hat, seine zweite Ehefrau, die zwölf Jahre ältere TV-Moderatorin Inge Posmyk, kennen, im Januar 2010 heiraten die beiden, die Söhne Felix (geboren 2010) und Max (2013) kommen zur Welt.
Matthias Steiner: Heute Fitness- und Ernährungscoach
Steiner gründet seine eigene Firma, die Steinertainment GmbH, er ist als Fitness- und Ernährungscoach tätig, schreibt Bücher über Ernährung und Bewegung und hält Vorträge. Auch als Schlagersänger hat er sich versucht. Doch die Erinnerung an Susi ist nicht verblasst. "Susi ist ein Teil der Familie", berichtete Inge Steiner einmal im "Kurier".
"Die Mama von Susi ist unsere dritte Oma und Taufpatin von unserem Größten. Sie lebt einige Monate im Jahr bei uns und hat dadurch wieder Lebensmut bekommen."
Über das Geheimnis ihrer Liebe berichtete Inge Steiner: "Matthias hätte sich mir auch nie so geöffnet, wenn ich gesagt hätte, die Susi bleibt aber bitte deine Sache. Ich habe immer gesagt, sie gehört zu uns. Nur so kann unsere Liebe wachsen."
Matthias Steiner trägt Susann stets bei sich. So wie damals, 2008 in Peking.
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