Gold für den Himmel
Gewichtheber Matthias Steiner schafft den Sieg im Superschwergewicht – und geht mit einem Bild seiner verstorbenen Ehefrau zur Siegerehrung. „Eigentlich glaube ich nicht an solche Dinge, aber ich denke, dass sie da oben alles mitbekommen hat.“
PEKING Die Tränen liefen Matthias Steiner schon lange vor der Siegerehrung über das Gesicht. Dabei schaute der 145-Kilo-Koloss immer wieder auf das Foto, das er liebevoll, ganz zärtlich, in seiner gewaltigen Pranke hielt. Ein Bild seiner Frau Susann. Als sein Name aufgerufen wurde, als dem stärksten Mann der Welt die Goldmedaille umgehängt wurde, da küsste er das Bild. Immer wieder. „Das ist für dich. Ich habe Gold für dich gewonnen. Und für unsere Familien“, sagte Steiner leise. Und dann kamen immer noch mehr Tränen.
Steiner weinte vor Freude – über Gold. Und er weinte aus Trauer. Trauer um seine Frau. Denn Susann (22 †) ist tot. Bei einem Autounfall am 16. Juli 2007 ist sie in der Nähe von Heidelberg verunglückt. Steiner (25) sagte: „Eigentlich glaube ich nicht an solche Dinge, aber ich denke, dass sie da oben alles mitbekommen hat.“ Das Gold für sie da oben. Gold für den Himmel.
"Wir werden in Deutschland noch viel Freude an ihm haben“
„Emotionaler geht es nicht. So komisch es klingen mag, Matthias hat aus dem Schicksalsschlag Kraft gezogen. Er hat das für sie gemacht. Denn sie hat ihn immer in allem bedingungslos unterstützt“, sagt Peter Waldvogel, der Präsident von Steiners Verein Chemnitzer Athletik-Klub. Waldvogel war live in Peking dabei. „Die Russen und Litauer hatten schon gefeiert, dann packte Matthias noch mal drauf und schaffte das Unmögliche. Wir werden in Deutschland noch viel Freude an ihm haben.“
An Steiner, dem gebürtigen Österreicher, der sich mit seinem Heimatverband überworfen hatte. Als er sich dann in Susann verliebt hatte, beantragte er die deutsche Staatsbürgerschaft. Doch er musste warten. Lange warten. Zu lange für Susann. Sie, die extra für die Reise nach Peking ein Sparbuch angelegt hatte, erlebte den Einbürgerungsbescheid nicht mehr. „Als ich ihn bekommen habe, bin ich zum Friedhof gegangen und habe ihn ihr gezeigt. Sie sollte es als Erste sehen, als Erste wissen“, sagte Steiner. „Mittlerweile kann ich mit der Situation besser umgehen. Die Albträume werden weniger.“
Dafür ging sein Olympiatraum in Erfüllung. 461 Kilo wuchtete er in die Höhe – Bestleistung. Nach dem Goldstoß brach alles aus Steiner hervor. Er schrie, schlug die Hände vor das Gesicht, zeigte mit dem Zeigefinger auf den Bundesadler auf dem Shirt, bevor er er sich das Gewichthebertrikot vom Oberkörper riss. Dann erdrückte er Bundestrainer Frank Matek beinahe in einer herkulesken Umarmung.
Ein echter Naturbursche
„Meisterhaft! Matthias ist der beste Gewichtheber der Welt. Er ist ein echter Naturbursch“, sagt Ronny Weller, der 1992 als letzter Deutscher Gewichtheber-Gold geholt und seine Freundin ebenfalls bei einem Autounfall verloren hatte (siehe Interview unten).
Und wenn Steiner wieder zurück in der Heimat ist, dann wird er die Goldene in die Tasche packen und zum Friedhof fahren. Um sie seiner Susann zu zeigen. kby
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