Gold-Fischerei als Familientradition

Fanny, die Nichte von Deutschlands Rekord-Olympionikin Birgit Fischer, die insgesamt acht Mal Gold gewinnen konnte, weint nach dem Olympiasieg im Vierer.
PEKING In diesem Moment ist Birgit Fischer keine Kommentatorin. Distanz? Objektivität? In diesem Moment ist die erfolgreichste deutsche Olympionikin aller Zeiten einfach nur Fan – und Tante. „Ich habe Gänsehaut, das ist einfach nur wunderschön“, sagt die gerührte ZDF-Expertin. Als würde sie gar nicht ans Mikrofon denken. Im Frauen-Vierer, der mit einem sensationellen Start-Ziel-Sieg Gold über 500 Meter geholt hat, saß ihre Nichte, Fanny Fischer, die Schlagfrau. die Fischers in Peking – Fanny (21) paddelt, Birgit (46) kommentiert.
„Vor vier Jahren habe ich noch an ihrer Stelle gesessen“, sagt Tante Birgit zum Beispiel. Oder: „Ich habe keine Minute, ach, keine Sekunde am Sieg gezweifelt.“ Nur wenige Sekunden später fallen sich beide um den Hals. Und die Nichte weint vor Glück. „Ich muss mich erstmal sammeln“, sagt Fanny. Mit ihrem ersten Olympia-Gold hofft sie, aus dem Schatten ihrer Tante heraustreten zu können. Tante Birgit, die einfach nicht älter werden wollte und bei sechs Olympischen Spielen insgesamt achtal Gold holte.
„Manchmal nervt es natürlich, immer darauf angesprochen zu werden“, gesteht Fanny gerne mal. Aber es sei nicht so, dass der Name eine Last wäre. „Durch diese Konstellation rückt unser Sport mehr in die Öffentlichkeit, und das wollen wir alle“, sagt die jüngere der beiden Fischers. Alle? Das sind auch noch Fannys Papa Frank, Birgits Bruder, der einen Kanu-Laden hat. Er war selbst Weltmeister im Kanurennsport. Mama Sarina gewann selbst einst olympisches Gold, nämlich 1980 mit der Freistil-Schwimmstaffel.
Auch Fanny habe den „Fischer-Schlag“, wie Birgit es nennt: „Wenn sie irgendwo an den Start geht, will sie gewinnen. Solch ein Triumph gehört dazu zu unserer Familientradition.“ Zur Gold-Fischerei.
Und Fanny verrät: „Es ist schon von Vorteil, wenn die Eltern wissen, wie ein Sportlerleben so ist. Dass es zum Beispiel normal ist, dass man nach einem Trainingslager einfach mal k.o. ist.“ Gefährlich werde es, wenn die Eltern ihre Kinder einem zu hohen Leistungsdruck aussetzen. „Das war bei mir aber nie der Fall“, sagt die 21-jährige Olympiasiegerin. Die Sportsoldatin, die im Herbst ein Fernstudium im Bereich Prävention und Rehabilitation starten will. „Meine Eltern sorgen dafür, dass ich auf dem Boden bleibe. Ich bin auch selbst bodenständig, manchmal vielleicht sogar zu bescheiden“, sagt sie. Grund dazu hat sie eigentlich nicht.
Mit dem Kajak-Vierer begann übrigens eine Serie von Medaillenerfolgen. Die deutschen Kanuten holten am Freitag ein weiteres Gold – durch den Kajak-Zweier der Männer über 1000 Meter. Zudem gab es einmal Silber – durch den Canadier-Zweier, wobei der völlig verausgabte Tomasz Wylenzek einen Kreislaufkollaps erlitt. Und am Ende einmal Bronze dank des Kajak-Vierers der Männer über 1000 Meter.
Kein Wunder, dass das ganze Team feiert. Und als Fanny Fischer irgendwann gefragt wird, ob sie auch so lange aktiv sein wird wie ihre Tante, wundert sie sich nur. „Mit 45 werde ich bestimmt nicht mehr fahren.“ Sie sagt es so, als wollte sie sich zumindest ein bisschen abgrenzen. Von der berühmten Tante.
thk