Götterdämmerung – und Generationenwechsel?

Mal wieder gibt’s Ärger im deutschen Tennis-Team: Tommy Haas, Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer sagen für den Davis Cup ab. Lässt Teamchef Carsten Arriens künftig den Nachwuchs ran? Welche Spieler man sich schon mal merken sollte.
von  Thomas Becker

München Carsten Arriens ist ein eher ruhiger Zeitgenosse. Keiner, der laut wird und auf den Tisch haut, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Dabei könnte man es ihm nicht verdenken. Seit einem Jahr ist der 44-Jährige als Nachfolger Patrik Kühnens Tennis-Bundestrainer und Teamchef der Davis-Cup-Mannschaft – ein Job, um den er ihn nicht zu beneiden ist. Denn seine Stammspieler sind für Arriens in etwa so einfach zu handhaben wie nasse Seifestücke in der Badewanne. Gut möglich, dass es bald seine Ex-Stammspieler sind.
Die Rede ist von Deutschlands besten Tennisprofis: Tommy Haas (derzeit Nr. 13 der Weltrangliste), Philipp Kohlschreiber (25) und Florian Mayer (32). In dieser Besetzung hätten die Chancen für das Viertelfinale gegen Frankreich (4. bis 6. April in Nancy) nicht schlecht gestanden – und in einem Davis-Cup-Halbfinale stand ein deutsches Team lange nicht mehr. Doch statt dieses Trios gehen folgende Spieler gegen Monfils & Co. an den Start: Tobias Kamke (Lübeck/Weltranglisten-92.), Jan-Lennard Struff (Warstein/104.), Peter Gojowczyk (München/111.) und Doppel-Spezialist André Begemann (Frankfurt/Main). Die Franzosen wird das Freude.

So ärgerlich es ist, dass die Top 3 wegen Verletzung absagen mussten (Haas: Sehnenriss in der Schulter, Mayer: Ödem am Schambein, Kohlschreiber: Ellbogenbeschwerden), noch ärgerlicher ist der jüngste Eklat um den sogenannten „Versöhnungstag“ des Deutschen Tennisbundes am Sonntag in Frankfurt. Warum es einen solchen überhaupt gibt? Wegen eines anderen Eklats: Anfang Februar hatten sich Haas, Kohlschreiber und Mayer beim Davis-Cup-Sieg gegen Spanien am Abschlusstag mit Attesten abgemeldet und die Zuschauer verärgert. Mayer sagte darauf wegen einer Schulterverletzung sein nächstes Turnier ab, Haas und Kohlschreiber dagegen gingen in Zagreb an den Start. Wunderheilung?
Um das desaströse Image des praktisch führungslosen Tennisbundes – den Präsidenten Karl-Georg Altenburg nimmt niemand ernst, Ex-Vizepräsident Carl-Uwe Steeb hat ähnlich viel Porzellan zerschlagen und ging mit seiner Firma (die die BMW Open in München veranstaltete) insolvent – zu retten, wollte man den Fans einen Showkampf mit den großen Drei zu bieten: das nächste Desaster.

Dass Haas, der in den Plänen von Arriens keine Rolle mehr spielt („Tommy wird wohl nicht mehr für das Davis-Cup-Team antreten. Er wird jetzt 36, und wie lange er noch spielen kann, ist sehr fraglich“), nicht aus den USA anreisen wird, stößt bei Arriens auf Verständnis. Mayer und Daniel Brands dagegen werden trotz Verletzung respektive Nicht-Nominierung nach Frankfurt kommen. Mayer sagte: „Für mich ist es Ehrensache nach Frankfurt zu fahren. Schließlich Freude sich die Fans auf diesen Tennis-Tag.“ Arriens meinte: „Es war für beide eine Selbstverständlichkeit zu kommen. So gehört es sich auch. Das hat auch etwas mit Anstand zu tun.“

Diesen lässt Kohlschreiber vermissen. Teamchef Arriens: „Philipp war eingeladen, sieht sich aber nicht in der Lage zu kommen. Ich kann die Entscheidung nicht nachvollziehen und finde sie enttäuschend.“ Auf die Frage, ob er Kohlschreiber künftig noch berücksichtigen werde, antwortete Arriens: „Darüber mache ich mir Gedanken.“ Tags darauf hieß es von Kohlschreibers Management: „Er hat zu jeder Zeit aufgrund seiner Verletzung lediglich die Teilnahme am Showkampf um 14 Uhr in Frage gestellt. Vor Ort wird er auf jeden Fall sein.“
Es ist nicht das erste Mal, dass Kohlschreiber Probleme mit der Kommunikation hat: Am Rauswurf Kühnens war er nicht unbeteiligt, nachdem der ihn 2012 nach einem monatelangen Zwist nicht für das Davis-Cup-Abstiegsspiel gegen Australien berücksichtigt hatte. Nur zu verständlich wäre es, wenn Arriens nach all dem Hickhack einen Schlussstrich ziehen und auf die Jugend setzen würde. Tennis-Deutschland kann sich folgende Namen merken:

Tobias Kamke: Der 27-Jährige ist Profi seit 2006, wird von Mirko Schuette trainiert und hat als beste Platzierung Rang 64 im Januar 2011 aufzuweisen. Beim Davis-Cup-Debüt gegen Argentinien verlor er Einzel und Doppel.

Jan-Lennard Struff: Der 23-Jährige ist seit fünf Jahren Profi, wird von Ute Strakerjahn trainiert und kam bisher über Platz 95 (August 2013) nicht hinaus. 2011 und 2012 wurde er deutscher Einzel-Meister.

Peter Gojowczyk: Der 24-Jährige, der in Oberföhring beim TC Sport Scheck von Lars Übel Marcello Craca trainiert wird, scheiterte zu Jahresbeginn als Qualifikant beim Turnier in Doha erst an Rafael Nadal – in drei Sätzen.

Andre Begemann: Der 27-jährige Doppelspezialist aus Lemgo verdrängte auf dieser Position den Trostberger Christopher Kas. In der Doppel-Weltrangliste rangiert Begemann auf Platz 48.

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