Goellner: „Eifersucht! Egoismus!“

Hier rechnet Marc-Kevin Goellner, einst Held im Davis-Cup-Duell mit Österreich, mit seinen Nachfolgern und dem Tennis-Verband ab.
AZ: Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an Unterpremstätten denken, an den denkwürdigen 3:2-Sieg Deutschlands 1994 im Davis Cup gegen Österreich.
MARC-KEVIN GOELLNER: Die Atmosphäre war unglaublich aufgeheizt. Aber es war schon geil, da zu spielen. Die Ösis wollten da unbedingt das zweite Cordoba inszenieren. Da wurde schon in der Presse reichlich gegen die Piefkes gestänkert, und ganz kalt gelassen hat uns diese Kampagne natürlich nicht.
Sie mussten dann zum entscheidenden Spiel gegen Horst Skoff auf den Centre Court, gerade nachdem Michael Stich in fünfeinhalb Stunden gegen Thomas Muster verloren hatte. Es stand 2:2, und alles, wirklich alles kam auf Sie an.
Ich war schon ein wenig erschüttert, dass Michael verloren hatte. Ich zitterte am ganzen Leib, als wir dann zum Spiel aufgerufen wurden. Auf dem Weg haute mich dann Horst Skoff, mein Gegner, frontal an: „Du, pass’ auf, dich hau ich jetzt weg. Dich mach’ ich fertig." Das war schon eine Extremsituation.
Und dann verloren Sie prompt auch noch den ersten Satz.
Die Menge war total aufgepeitscht. Es war Davis Cup pur. Die Idioten riefen: „Wir drehen Dir die Mütze gerade! Lachen konnte ich darüber allerdings nicht. Ich schwitzte ganz schön, und das nicht nur wegen des Matches. Dass ich das Ding dann noch umdrehte, das war sicher einer der schönsten Momente meiner Karriere. Da werde ich auch heute noch oft drauf angesprochen. Es war schon ein Superfight, dieses ganze Duell am Schwarzlsee.
Horst Skoff verstarb letztes Jahr unter reichlich dubiosen Umständen auf der Hamburger Reeperbahn. Was dachten Sie, als Sie diese Nachricht bekamen?
Ich konnte es so wenig glauben wie die meisten aus dem Tenniszirkus. Der Horstl war ja auch erst 40. Ein lieber Kerl mit rauer Schale.
Damals war der Davis Cup noch eine Angelegenheit von nationalem Rang, heute interessiert er nur noch eine kleine Fangemeinde. Woran liegt’s?
Es fehlen einfach die Ergebnisse, die großen Siege. Wir haben in den letzten Jahren nicht viel auf die Beine gestellt im Davis Cup. Und wir bräuchten auch einen jungen Spieler mit größerem Charisma, einen, der in den Top Ten stünde und etwas Großes im Davis Cup bewegen könnte. Im Gespräch und im Team sind aber mit Haas, Kiefer und Schüttler Spieler jenseits der 30. Kohlschreiber hat das Zeug, sich vorne zu etablieren. Aber er muss jetzt auch kommen und seine Chancen nutzen. Sonst läuft ihm die Zeit weg.
Sie haben unlängst einmal bemängelt, es fehle den Deutschen an verschworenem Teamgeist.
Ich sehe da zu viele Eifersüchteleien und Egoismen. Das Miteinander, das Nationen wie Spanien und Frankreich vorleben, das fehlt uns. Und wir können uns das eigentlich gar nicht leisten.
Warum bringt Deutschland keine Spitzenspieler hervor?
Es fehlt, im Moment jedenfalls, einfach das Geld. Da ist zuviel verschleudert worden in der Vergangenheit, nehmen Sie nur das teure Stadion in Hamburg, das fast immer leer steht. Und dann die teuren Reisen der DTB-Funktionäre, die gern umsonst zu den Turnieren und zum Davis Cup kommen konnten. Das wäre in der Nachwuchsarbeit besser aufgehoben gewesen.
Hatten Sie kein Interesse, beim Verband als Trainer zu arbeiten?
Wenn man auf breiter Front ehemalige Profis eingesetzt hätte, wäre ich auch dabei gewesen. Nehmen wir noch mal Spanien und Frankreich: Da wird jeder Spieler, der aufhört mit seiner Karriere, sofort eingebunden. Ob als Trainer, ob als Scout. Nur bei uns braucht das keiner. Und für diese Gleichgültigkeit kriegen wir jetzt die Quittung.
Sie sind selbst mit einer Tennis-Akademie am Markt. Arbeiten Sie mit Landesverband oder DTB zusammen?
Da gibt es leider keinerlei Kooperation mit dem Verband. Die stehen auf dem Standpunkt, man müsse zu ihnen kommen, wenn man eine Zusammenarbeit will. So, als habe man das alles nicht nötig. Leider geht so in Deutschland nichts mehr richtig nach vorn. Wir versuchen mit unseren Mitteln alles, um junge Spieler frühzeitig an Profibedingungen zu gewöhnen. Das große Umfeld ist aber nicht leicht hier in Deutschland.
Interview: Jörg Allmeroth