Gnadenbrot für den Kannibalen

Erstmals seit 1995 fährt Lance Armstrong wohl nicht im Gelben Trikot nach Paris. Die Konkurrenz bemitleidet ihn bereits, doch der 37-Jährige zeigt sich unbeirrbar und will noch lange weiterradeln.
von  Abendzeitung
Sichtlich genervt:  Lance Armstrong.
Sichtlich genervt: Lance Armstrong. © AP

Erstmals seit 1995 fährt Lance Armstrong wohl nicht im Gelben Trikot nach Paris. Die Konkurrenz bemitleidet ihn bereits, doch der 37-Jährige zeigt sich unbeirrbar und will noch lange weiterradeln.

ANNECY Donnerstagabend war er kurz einmal bester Laune. „Habe gerade ein großartiges Abendessen im Hotel gehabt“, verkündete Lance Armstrong auf seiner Twitter-Seite im Internet. Mit seinen Kindern, seiner Partnerin Anna Hansen und vielen guten Freunden, wie er schrieb, und dass der Lac d’Annecy recht nett aussehe. Ein süßes Gezwitscher am idyllischen Seeufer, es könnte alles ganz schön sein für den 37-Jährigen. Wäre da eben nicht die Tour de France. Denn da war dem siebenfachen Gesamtsieger die gute Stimmung vergangen.

Das Debakel beim Zeitfahren, seiner einstigen Spezialdisziplin, als er auf 40 Kilometer eineinhalb Minuten auf Alberto Contador verlor und nur auf Platz 16 ins Ziel kam, hatte tief geschmerzt. Bis dahin hatte Armstrong noch eine ordentliche Tour abgeliefert, doch spätestens am Donnerstag war dann eigentlich den meisten klar, dass die Ära Armstrong vorbei ist. Allen außer Armstrong selbst.

Wenn die Tour am Sonntag in Paris zu Ende geht, wird Armstrong erstmals seit 1995, noch vor seiner Krebserkrankung, nicht mehr im Gelben Trikot zum Arc de Triomphe radeln. Mehr noch, Armstrong muss kämpfen, dass er überhaupt Dritter bleibt. Hinter ihm lauern der Brite Bradley Wiggins (elf Sekunden zurück), Andreas Klöden (13), und Frank Schleck (34), der Bruder des Gesamt-Zweiten Andy Schleck. Und wie blank die Nerven liegen, zeigte sich bei Armstrongs markiger Ankündigung, dass es bei der Bergetappe auf den gefürchteten Mont Ventoux am Samstag „Krieg“ geben wird.

Nur dass die Konkurrenz diesmal nicht wie früher von vornherein die weiße Flagge hisst, sondern scharf zurückschießt. Erste Hilfe kündigte nun ausgerechnet Alberto Contador an, der ungeliebte Erzrivale aus dem eigenen Astana-Team, dem der Tour-Sieg nicht mehr zu nehmen sein wird. „Ich werde Lance unterstützen, damit er Dritter bleibt“, sagte der Spanier. Und es klang schon fast nach Mitleid.

Früher war er der Kannibale, der seine Konkurrenten auffraß. Jetzt bekommt er gerade noch das Gnadenbrot. Armstrong könnte nach der Tour natürlich aufhören. Sein Kurz-Comeback abhaken, heimfliegen und sich um die Familie kümmern. Aber Armstrong ist ein Getriebener.

Weshalb er am Donnerstag gleich noch einen Hauptsponsor für sein neues Radteam ab 2010 präsentierte. Mit dem Hauptsponsor Radio Shack, ein Elektronik-Kaufhaus mit Stammsitz Fort Worth und 4400 Filialen in den gesamten USA. In einer Video-Botschaft auf seiner Homepage freute er sich auf „many years to come“, eine Partnerschaft, die noch viele Jahre halten soll.

Dass sich der Armstrong für einen Sponsor aus der texanischen Heimat entschied, verwundert nicht. So ein Patriotismus kommt gut an daheim, schließlich will er einmal in die Politik gehen und Gouverneur von Texas werden, wie er einmal sagte. Nach seinem Karriereende. Aber das kann noch dauern. fk

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