Giovane Elber im AZ-Interview über Olympia in Rio

Rio de Janeiro - Giovane Elber, ehemaliger Stürmer-Star des FC Bayern, spricht im AZ-Interview über die Olympischen Spiele in Rio sowie über Hoffnungen und Probleme der Großveranstaltung.
AZ: Herr Elber, wie haben Sie, der einstige Bayern-Star, die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro als Brasilianer bislang erlebt?
GIOVANE ELBER: Bei der Fußball-WM 2014 hatten wir auch viele Sorgen, dass die Stadien nicht fertig werden. Bei Olympia war es genau das Gleiche. Wir haben gehofft, dass es nicht peinlich für uns Brasilianer wird. Am Ende hat alles gepasst. Beim ersten Spiel der brasilianischen Fußballerinnen war ich in Rio beim olympischen Straßenfest. Dort war eine super Stimmung.
Bei der Eröffnungsfeier wurde Übergangspräsident Michel Temer ausgepfiffen und tausende Menschen protestierten.
Die Leute protestieren zu Recht. Wir haben andere Sorgen als Olympia zu veranstalten, auch wenn das sehr schön ist für unser Land und die Stadt Rio de Janeiro. Wir haben nicht genügend Ärzte und Medikamente in den Krankenhäusern, die Straßen sind nicht gut, die Sicherheit ist ein Problem. Die Leute denken, dass man das Geld, das schon bei der WM und jetzt bei Olympia investiert wurde, besser in diese Bereiche investieren sollte.
Hat sich nach der WM 2014 etwas positiv verändert?
Nein. Wir haben ein Stadion in Manaus gebaut. Dort spielt jetzt keine Sau mehr Fußball. In Cuiabá, wo meine Rinderfarm in der Nähe ist, wird heute noch am Flughafen gearbeitet, der zur WM fertig werden sollte. Von der Straßenbahnlinie haben sie nicht mal 50 Meter geschafft. Die Materialien stehen bei Regen und Sonne da und sind bald kaputt. Das sind alles Gelder, die weg sind.
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In Rio wurde jetzt wieder viel investiert, etwa in die U-Bahn.
Es wurden ein paar Sachen gemacht. Aber Brasilien ist nicht nur Rio. Wir haben im ganzen Land Probleme. Rio ist eine wunderschöne Stadt, aber auch dort ist es unsicher. Das macht Angst. Erst am Sonntag ist ein US-Athlet abends am Strand ausgeraubt worden.
Ryan Lochte, der von einem falschen Polizisten mit einer Waffe bedroht wurde.
Auch für uns Brasilianer ist das eine Bedrohung. An der Copacabana kann man vielleicht noch spazieren gehen. Aber sich abends an den Strand zu legen oder schwimmen zu gehen – das macht kein Brasilianer. Auch wenn noch so viele Polizisten im Einsatz sind: Es kann immer etwas passieren.
Wie erleben Sie die Stimmung bei den Wettkämpfen?
Es ist schade, dass viele Stadien leer und nicht ausverkauft waren. Ich habe gehofft, dass mehr Leute kommen.
Sind die Tickets zu teuer?
Die normalen Leute in Brasilien können sich das nicht leisten. Das Problem ist nicht nur das Ticket. Ein Bier kannst du auf der Straße für zwei Euro kaufen. In den Stadien kostet es das Dreifache. Einen normalen Arbeiter kostet es fast einen Monatslohn, wenn er mit seiner Familie ins Stadion möchte.
Die brasilianischen Fans haben sich sehr temperamentvoll präsentiert, andere Athleten wurden ausgebuht.
So sind wir. Wir sind Fußball-Fans. Da kann man 90 Minuten schreien. Bei anderen Sportarten geht das nicht, da musst du leise sein. Das schaffen die Brasilianer nicht ganz so gut. Wir sind halt anders. (lacht)
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Beim olympischen Fußballturnier, wo Brasilien im Halbfinale gegen Honduras steht, können sich die Fans ausleben.
Fußball ist auch bei Olympia hier das absolute Highlight. Brasilien hat da noch kein Gold gewonnen. Das will man jetzt daheim mit aller Macht schaffen. Brasilien erinnert mich ein bisschen an Portugal bei der EM. Die waren am Anfang nicht gut und haben am Ende den Titel geholt. Vielleicht schafft das Brasilien auch. Aber nur, wenn sie nicht auf Deutschland im Finale treffen. Dann kommt wieder diese 7:1-Geschichte.
Auch Neymar hat zu spüren bekommen, wie heißblütig die Fans sind. Er wurde in Anspielung auf die Frauenfußballerin Marta verhöhnt.
Das Schlimmste für ihn war ein Internetvideo, in dem ein kleiner Junge mit einem Neymar-Trikot zum Spiel geht, mit einem Bleistift den Namen durchstreicht und Marta drauf schreibt. Das war schon sehr hart. Er ist ein super Spieler. Aber auf seinen Schultern lastet der ganze Druck. Neymar muss alles machen, am besten jedes Spiel alleine gewinnen.
Deutschland steht ohne große Stars im Halbfinale.
Was soll man dazu sagen? Das ist halt Deutschland. Die haben sich ein paar Tage vor Olympia getroffen und gefragt: „Wer soll mit nach Rio?“ Horst Hrubesch hat daraus eine Mannschaft geformt.
Wäre Brasilien gegen Deutschland Ihr Traumfinale?
Ja. Bei der WM habe ich auch von Anfang an gesagt, dass Deutschland gegen Brasilien spielen und gewinnen wird. In einem Olympia-Finale hätte Brasilien jetzt schon ganz gute Chancen. Aber mit den Deutschen muss man immer aufpassen. Die sind zu allem fähig.
Schauen Sie sich das Gold-Finale im Maracana an?
Wenn Deutschland dort gegen Brasilien spielt, darf man das nicht verpassen. So wie das 7:1 vor zwei Jahren in Belo Horizonte, wo ich vor Ort war. Ein super Spiel, zumindest aus deutscher Sicht. Es wäre schön, wieder so ein Spiel zu erleben.
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Für wen wären Sie dann?
Deutschland! Beim 7:1 waren meine Kinder und ich mit den deutschen Farben im Gesicht bemalt, nur meine Frau hatte ein Brasilien-Trikot an. Nach dem 3:0 hat sie gesagt, dass es keinen Spaß mehr macht. Für uns war es eine Freude, das 7:1 bis zum Ende anzuschauen. Ich habe Deutschland die Daumen gedrückt, weil sie super gespielt haben. Ich werde das jetzt wieder tun.
Weil Deutschland Ihre fußballerische Heimat ist?
Genau. Ich kenne da mehr Spieler als aus dem brasilianischen Team persönlich. Deshalb hoffe ich, dass sie das schaffen. Schau ma mal. (lacht)