„Gewaltig und schmerzhaft“
Riesch-Eltern erklären dem AZ-Reporter, wie ihre Töchter Maria und Susi so ticken – beim Sport und privat.
AZ: Sie, die Eltern, haben im Ziel geweint vor Freude über den Erfolg von Maria und vor Trauer aus Mitgefühl mit der Susanne. Was überwiegt?
MONIKA RIESCH: Die Gefühle im Ziel waren eine Achterbahn. Selten war der Unterschied zwischen Freude und Mitgefühl so groß. Inzwischen ist es bei mir doch die Freude. Habe ich Ihnen mein Erlebnis beim Friseur schon erzählt?
Nein, was war da?
MUTTER: Ich bin ein paar Stunden nach dem Slalom hier in Whistler zum Friseur gegangen, da habe ich erzählt, dass meine Tochter Gold gewonnen hat, da waren die ganz aus dem Häuschen. Die haben gleich eine Flasche Sekt besorgt.’
SIEGFRIED RIESCH: Das war der gewaltigste Tag in der Karriere der Maria, und andererseits wohl mit der schmerzhafteste für die Susanne. Bei mir hat das Pendel dann aber auch zur Freude ausgeschlagen. Als ich im Kufenstüberl beobachtet habe, wie sie mit am Trainertisch saß, da wirkte sie schon wieder viel gefasster.
Wieder stand sie am Ende erfolglos da, wieder sah sie die Maria ganz oben. Ist das nicht ganz schwer, da die kleine Schwester zu sein?
VATER: Ich denke nicht, dass es die Susanne schwerer hat als andere. Die Susanne ist sehr gut behütet, bei ihr ist es bisher einfach ganz anders gelaufen als bei der Maria.
MUTTER: Bei der Maria ist alles ganz schnell gegangen, das war nicht normal. Bei Suse hat es länger gedauert, bis sie in der Weltspitze ankam.
Nur fehlen ihr die Erfolge. Ob sie daran zerbrechen kann?
VATER: Nein. Niemals. Die Suse wird das gut abschütteln, sie ist ja auch drei Jahre jünger. Vielleicht würde sich die Maria so etwas sogar mehr zu Herzen nehmen.
MUTTER: Die Maria hat das ja auch gesagt, eigentlich kann der Suse da keiner helfen. Da muss sie ganz alleine durch. Auch wenn wir als Eltern ihr natürlich zeigen wollen, dass wir immer für sie da sind.
VATER: Die Suse ist in solchen Situationen aber keine, die Streicheleinheiten braucht. Sie will und muss das dann klar analysieren und dann nach vorne schauen.
Fällt wohl schwer nach solchen Enttäuschungen.
VATER: Ich glaube, dass sich das alles in der Karriere auch wieder ausgleicht. Irgendwann wird sie auch die nötige Portion Glück haben.
MUTTER: Das wünsch’ ich ihr.
VATER: Die Suse hat das Problem, dass sie nur diese eine Disziplin hat, nur den Slalom. Und da ist man schnell mal raus. Die Maria ist da viel breiter aufgestellt, ich hoffe, dass die Suse nun auch im Riesenslalom Fortschritte macht.
MUTTER: Nur bloß keine Abfahrt. Da habe ich schon bei der Maria jedes Mal Angst. Als die Maria mit zwölf bei einem Schüler-Cup-Rennen gefahren ist, da hat mein Mann gesagt, dass sie niemals eine Abfahrt bestreiten wird. Aber irgendwann werden die Kinder besser und stärker auch in den schnelleren Disziplinen, dann kannst du es nicht aufhalten. Ich bin jedesmal heilfroh, wenn sie bei einer Abfahrt unversehrt im Ziel ankommt.
Nach dem Weltcup-Finale Mitte März in Garmisch ist die Saison vorbei. Wie sieht es aus, wenn die Eltern Riesch mit ihren beiden Töchtern dann das erste Mal zusammen beim Abendessen sitzen?
VATER: Wir gehen dann immer zum Essen. Dass meine Frau dann noch zwei Stunden in der Küche steht, ist auch zu viel. Wir haben da bei uns schon ein paar nette Lokale. Natürlich geht es dann auch ums Skifahren, aber nicht den ganzen Abend.
MUTTER: Das ist so wie in jedem anderen Beruf auch, da erzählt man auch beim Abendessen, wie es einem geht, aber dann spricht man bald über andere Dinge. Im Winter sind solche Abende sehr selten geworden, deswegen Freude ich mich jetzt so darauf. Für uns Eltern ist das einfach ein Glück, wenn wir unsere Töchter dann mal wieder einfach nur für uns haben. Und zu wissen, dass wir gesunde Kinder haben, da spielen Olympiasiege keine Rolle mehr.
Interview: Florian Kinast