Gesucht: Klinsmanns bessere Hälfte
Der Chef und seine helfenden Hände: Als Bundestrainer hatte Jürgen Klinsmann in Jogi Löw einen idealen Partner. Jetzt vertraut er einem Quartett.
MÜNCHEN Um acht Uhr schon fährt Jürgen Klinsmann jeden Morgen in die neue Tiefgarage an der Säbener Straße – zum Dienstbeginn. Dann ist erstmal Frühsport mit dem Trainerstab angesetzt. Damit nichts ansetzt, auf freiwilliger Basis. Natürlich.
Steht er nicht auf dem Trainingsplatz, zieht sich Klinsmann in das neue Trainerbüro zurück, ein Raum voller Technik. Und voller Menschen. Mit Co-Trainer Martin Vasquez, dem Assistenz-Trainer und Scout Nick Theslof sowie den Fitnesstrainern Marcelo Martins und Darcy Norman hatte Klinsmann vier Assistenten engagieren dürfen. Walter Junghans war zwischenzeitlich zum alleinigen Torwarttrainer befördert worden. Martin Vasquez (44) ist Klinsmanns erster Ansprechpartner, der Mexikaner teilt dessen Philosophie, will „dynamischen, offensiven und vertikalen Fußball“. Klinsmann charakterisiert Vasquez als „permanenten Antreiber, der die Spieler mit Engagement und Leidenschaft führt“. Um sich besser mitteilen zu können, nimmt er fleißig Deutschunterricht.
Beobachtet man Vasquez, zuletzt als Co-Trainer beim MLS-Klub Chivas USA tätig, bei den Spielen auf der Bank, sieht man wie zurückhaltend er noch agiert, sich viele Notizen macht. Er sitzt immer rechts von Klinsmann, man spricht englisch. Doch so reibungslos wie mit Joachim Löw während seiner Zeit als Bundestrainer funktioniert die Zusammenarbeit noch nicht. Kann sie ja auch nicht.
Denn Klinsmann und Löw kamen wie Zwillinge daher. Zwei Mann, eine Einheit. Was sie auch rein optisch demonstrierten. Bei den Spielen auf der Bank trugen sie stets Partner-Look: Ein hellblaues Hemd, eine schwarze Hose. So kleidet sich Klinsmann nun auch bei den Bayern-Spielen, Vasquez dagegen sitzt im Trainingsanzug auf der Bank.
Als Klinsmann ihn auserkoren hatte, erntete er viel Skepsis. „Ich bin gespannt, wer für den Teamchef Klinsmann die Trainingsarbeit machen wird“, hatte etwa Lothar Matthäus gesagt. Löw wird bei Bayern ersetzt durch ein ganzes Team.
Löw denkt, Klinsmann lenkt: So funktionierte das Gespann vor und während der WM. Und selbst in der stressigsten Zeit hat sich Klinsmann einzelne Punkte wie Trainingsinhalte und -aufbau von Löw abgeschaut. Löw ist das taktische Gewissen des Emotions-Menschen Klinsmann, der Entscheidungen, wie er sagt, „oft aus dem Bauch“ heraus trifft. Und richtig macht: Siehe die Einwechslung von Tim Borowski zur Halbzeit in Dortmund. Aus einem 0:1 wurde ein 1:1.
Klinsmann und Löw lernten sich bei einem DFB-Sonderlehrgang in Köln kennen, bei dem sie 2000 die Trainerlizenz erworben hatten. Im Bundestrainer-Gespann war Löw stets der Mann für die Taktik, das Training. Er erstellte die Schwerpunkte in der Trainingsplanung, gestaltete die einzelnen Übungen. „Ich habe da absolutes Vertrauen zu Jogi“, sagte Klinsmann damals, „einer der wichtigsten Punkte, warum es bei uns so gut funktioniert hat, war die Arbeit von und mit ihm. Er ist ein Fachmann, von dem das Team in jeglicher Hinsicht profitiert hat." Vor allem er selbst. Löw war Klinsmanns bessere Hälfte. Die wird nun bei Bayern gesucht.
Daher sitzt auch Uli Hoeneß, der Manager, weiter auf der Ersatzbank, direkt links neben Klinsmann. „Uli ist mein Chef, aber auch mein Ratgeber", sagte Klinsmann, „das sind 30 Jahre Erfahrung neben mir, es wäre ja dumm, darauf zu verzichten.“ Vor allem im Jahr eins als Vereinstrainer.
Patrick Strasser