Gesucht: Das Gesicht der Spiele in Sotschi
Medaillen sind das eine – doch um der Star der Winterspiele von Sotschi zu werden, dazu braucht es mehr. Die AZ-Expertendebatte um Maria, Felix & Co.
Sotschi - Citius, altius, fortius – so lautet das Motto der Olympischen Spiele, die an diesem Freitag in Sotschi eröffnet werden. Aber es geht nicht nur um schneller, höher, weiter. Es geht auch um erfolgreicher, populärer, vermarktbarer. Wer wird also das deutsche Gesicht dieser Spiele? Maria Höfl-Riesch, Felix Neureuther, Natalie Geisenberger, Felix Loch oder Claudia Pechstein?
Die AZ sprach mit Matthias Lung, Direktor der Bayerischen Akademie für Werbung (BAW), und Marketingexperte Peter Ehm (Chefredakteur „headline1“), klopfte die Protagonisten auf den sportlichen Wert, die Sympathie-Werte und die Vermarktbarkeit ab.
MARIA HÖFL-RIESCH: Die 29-Jährige ist Doppel-Olympiasiegerin. In Sotschi könnte sie dann an Rosi Mittermaier (2 x Gold, 1 x Silber) und Katja Seizinger (3 x Gold, 2 x Bronze) vorbeiziehen). In der Popularität ist sie bereits englische Queen: „Maria nimmt alle Altersgruppen mit“, sagt Lung, „sie ist auch nicht mehr von Triumphen abhängig, ihre Beliebtheit ist bereits aus der Welt des Sports ausgebrochen.“ Aktionen wie jetzt, als sie sich die Fingernägel mit den olympischen Ringen und in Schwarz-Rot-Gold lackierte, kommen an. Für Lung ist daher die Fahnenträger-Debatte keine echte. „Die Trägerin soll die olympischen Werte transportieren und das Volk hinter sich versammeln“, sagt Lung, „das kann Maria, nicht aber Claudia Pechstein. Mit der will keiner ein Bier trinken gehen.“ Die Sympathie führt zu bester Vermarktbarkeit. Ehm: „Sie ist zu einer Marke Maria geworden. Man sieht sie nicht nur als schwitzende Athletin, sondern als Frau, die für Erfolg und Kampfgeist steht.“ Fazit: Beste Chancen, das Antlitz Olympias zu werden.
FELIX NEUREUTHER: Platz acht in Vancouver 2010 ist die beste Platzierung des Vize-Weltmeisters. Nun ist er in der Form seines Lebens. Aber an Doppelolympiasieger Markus Wasmeier wird er wohl nicht vorbeiziehen können. In der Popularität erreicht er jedenfalls Spitzenwerte. Ehm: „Er erfüllt das Drei-Generationen-Modell – Oma, Mutti und Tochter sind von ihm alle begeistert.“ Das lässt sich vermarkten. „Er ist so, wie man einen Bayern sehen will. Sympathisch, mit Ecken und Kanten, einem, dem man abnimmt, dass er hinter dem steht, was er bewirbt“, sagt Lung. Fazit: Bundesweite Strahlkraft.
NATALIE GEISENBERGER: Bisher hat sie eine Bronzene geholt, Sylke Otto (2 x Gold) ist weit vor ihr. „Gold ist in unserem Sport nicht weniger wert als beim Skifahren“, sagt Rodel-Ikone Susi Erdmann, „die Konkurrenz ist enorm.“ Was die Popularität betrifft, kann sie mit Höfl-Riesch und Neureu-ther nicht mithalten. Ehm: „Sie hat das Problem, in einer saisonalen Randsportart ohne Massenappeal tätig zu sein. Das nette Gesicht sieht man kaum. Sie kann ausschließlich über den Erfolg die Popularität steigern. Doch das ist schnell vergänglich. Marketing kann brutal ungerecht sein.“ Lung: „Sie ist prädestiniert für regionale Hotels oder ansässige Unternehmen zu werben, landesweite Kampagnen wird es kaum geben.“ Fazit: Bleibt eine lokale Größe.
FELIX LOCH: Noch ist Schorsch Hackl mit drei Mal Gold der Rodler-König, doch Loch (1 x Gold) könnte aufschließen. In der Popularität hat er Nachholbedarf. „Mit Rodeln verbindet man weiter Hackl, der ein Unikum war“, sagt Ehm, „das lässt sich so nicht wiederholen.“ Dies schlägt sich auch im Werbewert durch. „Auch er kann in der Region zum Superstar werden, aber nicht zum Olympia-Gesicht Deutschlands“, sagt Lung. Fazit: Nur mit Riesenerfolgen oder bei Pleiten der anderen wird er der große Star.
CLAUDIA PECHSTEIN: Mit 5x Mal Gold, 2x Silber, 2x Bronze ist sie die zweiterfolgreichste Eisschnellläuferin aller Zeiten (die Russin Lidija Skoblikowa holte sechs Mal Gold). Doch ihre Sympathiewerte sind – nicht erst nach ihrer umstrittenen Dopingsperre – im Keller. „Bekannt wurde sie nur durch ihren Zickenkrieg mit Anni Friesinger, bei der Anni aber die Schöne war und Claudia das Biest“, sagt Ehm, „sie ist verbittert, man glaubt, ihr einziges Ziel ist es, das System zu vernichten, das kommt nie sympathisch rüber.“ Demzufolge schwer vermarktbar ist Pechstein: „Mit Selbstironie könnte sie als Partner für Rechtsschutzversicherungen fungieren. Ob sie die hat, ist zu bezweifeln“, sagt Ehm. Fazit: Egal, welcher Erfolg, sie wird nie das Gesicht Olympias.