Gelber Kittel, goldene Schultern

Sturz-Chaos, ein Bus blockiert die Ziellinie, und am Ende gewinnt ein Deutscher die erste Etappe: Nicht nur wegen Marcel Kittels Sieg bleibt der Auftakt der 100. Tour noch lange in Erinnerung
M. Kerber |
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Ajaccio - Er strich immer wieder mit der Hand über das Trikot, so als müsse er sich vergewissern, dass es wirklich da ist. An seinem Körper – das sagenumwobene Maillot Jaune, das fast mythische Gelbe Trikot der Tour de France.

„Es ist, als hätte ich Gold auf meinen Schultern”, sagte der Deutsche Marcel Kittel und hatte dabei Freudentränen in den Augen. Mit seinem Sieg im Sprint der 1.Etappe dieser Jubiläums-Tour, die 2013 zum 100. Mal ausgetragen wird, hatte sich der 25-Jährige dieses Schulter-Gold gesichert. Als erster Deutscher seit Stefan Schumacher 2008 (inzwischen des Dopings überführt), als insgesamt 14. Deutscher.

Bei einer Massenkarambolage fünf Kilometer vor dem Ziel waren die Topsprinter Mark Cavendish und Andre Greipel gestürzt, so war der Weg für Kittel frei. „Ich habe es hinter mir krachen hören, habe dann gesehen, dass die beiden nicht mehr da sind, dann haben wir alles nach vorne geworfen” sagte Kittel.

Gesagt, getan, gesiegt. Von dem Irrsinnschaos direkt vor der Zielankunft, als der Mannschaftsbus von Team Orica-Greenedge bei der Zielliniendurchfahrt mit dem Dach Aufbau stecken geblieben war, hat Kittel nichts mitgekriegt. Die Tour-Organisatoren wollten die Strecke schon verkürzen, weil sich der Bus nicht einen Millimeter bewegen ließ und die Zielankunft blockierte. Doch dann kam ein Helfer noch auf die glorreiche Idee, die Luft aus den Reifen des Busses zu lassen. So konnten sie ihn noch vor der Ankunft der Sprinter wegschieben. „Mir wurde irgendetwas ganz hektisch über Funk mitgeteilt, aber ich konnte kein Wort verstehen, also habe ich einfach Stoff gegeben, ich habe erst später erfahren, was da los war”, sagte Kittel, der dann nur befand: „Das ist der mit Abstand schönste Tag in meinem gesamten Leben.”

Den Triumph feierte er angemessen – schließlich ist man in Frankreich! – mit einer Flasche Schampus. Um 23 Uhr fiel er freudetrunken ins Bett. „Ich werde das Trikot beim Einschlafen über meine Nachttischlampe hängen und schauen, ob’s am Morgen noch da ist, oder ob’s der schönste denkbare Traum war”, sagte er am Samstagabend. Das Trikot war auch tags darauf noch da, er trug es in den Bergen Korsikas. 2010 noch hätte er fast die Karriere beenden müssen, nachdem ihn diverse Verletzungen und Krankheiten immer wieder aus dem Rennsattel hin ins Krankenbett gezwungen hatten, nun durfte er durfte das Gelbe Trikot zur 2. Etappe überstreifen.

Seine Karriere begann der Arnstädter mit 13 Jahren. Während eines Alpen-Urlaub bildete er sich ein, dass er – wie sein Vater zuvor – Radfahrer werden wollte. „Warum das gerade in meinem ungeliebten Bergen passiert ist, wird ein ewiges Rätsel bleiben”, sagt er heute. 2002 folgte ein Camping-Urlaub mit dem Papa bei der Bergankunft in Les Deux Alpes bei der Tour. „Wir haben gezeltet, gegrillt. Das Rennen und seine Geschichte haben mich sofort fasziniert”, sagte Kittel, der den Erfolg seiner Mutter widmete, die drei Tage zuvor ihren 50. Geburtstag gefeiert hat. „ Familie und Freunde hatten eine Leinwand aufgebaut, da haben sie alle zugeschaut. Ich denke, ich habe ihr das schönste Geburtstagsgeschenk gemacht”, sagte Kittel und fügte grinsend hinzu: „Ich hoffe, sie hat geheult.” So wie der Sohnemann, als er immer wieder mit der Hand über das „Gold auf seinen Schultern” streichelte. 

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