Geladene Schützen

Gleich am ersten Wettkampftag der Olympischen Spiele von Peking wollen sie das erste Gold für das deutsche Team holen. Doch erst einmal gibt es Misstöne
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Sportschützin Sonja Pfeilschifter soll das erste Gold für Deutschland holen.
sampics/Augenklick Sportschützin Sonja Pfeilschifter soll das erste Gold für Deutschland holen.

Gleich am ersten Wettkampftag der Olympischen Spiele von Peking wollen sie das erste Gold für das deutsche Team holen. Doch erst einmal gibt es Misstöne

MÜNCHEN Für Josef Ambacher eignete sich Suhl bestens. In der Thüringer Kleinstadt verabschiedete der Verbandspräsident am Montag die 20 deutschen Olympia-Schützen in Richtung Peking. Suhl war schließlich Standort der ersten deutschen Waffenfirma im 18. Jahrhundert.

Jedenfalls gab es viele gute Wünsche, dass die Schützen am 9. August gleich die ersten deutschen Medaillen holen. Es klang nach Harmonie, tatsächlich wird aber schon vor Olympia scharf geschossen. Verbal. Es gibt Krach vor dem Schützenfest, die Schützen sind geladen.

Dabei ist Sonja Pfeilschifter diesmal sogar friedlich. Die 37-jährige Gewehrschützin aus Ismaning. Viermalige Weltmeisterin, bei Olympia bisher aber nur Vierte, Fünfte und Sechste. Für sie lag das in Athen daran, weil der Verband ihren Heimtrainer Hubert Bichler nicht mitnahm. „Wenn der Hubert hinter mir sitzt, beruhigt mich das“, sagte sie jetzt der AZ, „unser Bundestrainer (Claus-Dieter Roth, d.Red.) macht mich nur wahnsinnig. Den hätt’ ich immer am liebsten aus der Halle geschmissen, das hab’ ich ihm dann auch mal vor den Latz geknallt. Da hab ich gesagt: Raus jetzt.“ Und Roth ging.

Wenn sie mag, kann Sonja Pfeilschifter auch eine umgängliche Gesprächspartnerin sein. Nur mag sie eben nicht immer. Und dann ist sie das nicht.

Jetzt hat sie ihren Hubert immerhin dabei, auch wenn der nur dank einer Akkreditierung als österreichischer Bundestrainer in die Halle kommt. Aber weil beim Luftgewehr keine Österreicherinnen mitschießen, kann er sich da um Pfeilschifter kümmern. Die wird danach bis 15. August in Peking bleiben, aus gutem Grund: „Ich möcht ja noch dem Michi zuschauen.“ Dem Michael Winter, dem Vereinskollegen von der HSG München. HSG wie Hauptschützengesellschaft.

Der 22-jährige Kommunikationselektroniker ist zum ersten Mal bei Olympia. Wie die halbe Familie lernte er das Schießen daheim, bei der Schützengesellschaft Edelweiß Kirchseeon. Er freut sich auf Peking, aber wenn die Rede auf die Vermarktung der Schützen kommt, dann wird er ärgerlich.

So erzählt er von einem Empfang im Rathaus, als Bürgermeisterin Christine Strobl die wichtigsten Sport-Events in München aufzählte. Vom Weltcup-Finale der Schützen an der Olympiaanlage Hochbrück war da nicht die Rede. Danach, sagt Winter, sei er zu Verbandsboss Ambacher gegangen und habe gefragt, ob er nicht mehr Werbung machen müsse für solche Höhepunkte in der Sportart: „Aber der Ambacher hat nur gesagt: ,Das haben wir nicht Not’“, erzählte Winter der AZ, „und so kommt natürlich auch kein Mensch zu einem Weltcupfinale. So ist das eine Totenveranstaltung.“

Dass er selbst zu wenig für seine Schützen tue, sieht Ambacher selbst freilich anders. Ambacher ist der, um den es vor fünf Jahren mächtig Wirbel gab, weil er über die damals rotgrüne Koalition meinte, dass es mit dem Land erst wieder aufwärts gehe, „wenn Bundeskanzler Stoiber auf der Beerdigung von Fischer die Witwe von Schröder fragt, wer den Trittin erschossen hat”. Für Ambacher war das nur ein Witz, trotzdem kostete ihn der Spaß das Amt des NOK-Schatzmeisters.

Mit Winters Aussagen konfrontiert, sagte der Schützenchef der AZ: „Wenn ihm was nicht passt, dann kann er ja was anderes machen“, so Ambacher, „dann kann er ja reiten. Mal schauen, was der Herr Winter so mitbringt aus Peking.“

Aber wenn er und die anderen Schützen ein paar Medaillen abräumen, dann wird die Welt bei den Schützen wieder anders ausschauen. Friedlicher, harmonischer. Dann sind sie wieder entladen.

Florian Kinast

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