Gehirnjogging durch den Stangenwald

Felix Neureuther (24) siegte vor zwei Wochen bei einem Parallelslalom in Moskau – und wurde letzten Sonntag Dritter beim Weltcup-Slalom von Adelboden. Am kommenden Sonntag teigt in Wengen ein Rennen mit ganz besonderer Bedeutung – Felix’ Vater Christian gewann dort die Klassiker-Weltcup-Slaloms von 1973 und 1974! Vielleicht macht der Junior es ja nach. Es wäre sein erster Weltcup-Sieg.
AZ: Was war das schönste Ski-Erlebnis Ihrer Karriere?
FELIX NEUREUTHER: Vielleicht mein 2. Platz in Alta Badia 2007. Denn: In den beiden Slaloms zuvor wurde ich jeweils 11. – und da hatte es dann bereits ziemliche Kritik gegeben, „Die deutschen Herren wieder“ und so, also ziemlich viel Druck von allen Seiten. Und dann wurde ich eben 2. – und da fiel der gesamte Druck von mir und den Trainern ab: Das war ein ganz großes, wirklich schönes Erlebnis! Auch deshalb, weil ich fest stellen konnte, dass ich in der Lage bin, Druck aus zu halten und mit Druck um zu gehen.
Und Ihre Ziele für diesen Winter nun?
Bei der WM eine Medaille zu holen – das wäre ein Wunsch und Traum zugleich. Bei der WM 2007 in Are war ich ja schon 2. nach dem 1. Durchgang, schied dann aber aus. Und dann möchte ich mich natürlich im Riesenslalom verbessern.
Das Kapitel Abfahrtist wohl endgültig erledigt?
Als Kind wollte ich immer die Streif gewinnen! Denn es gibt nichts Größeres. Das ist ein unglaublicher Prestige-Erfolg. Und dieser Traum ist immer noch da. Aber ob ich das jemals schaffen werde, bezweifle ich. Meine Stärke ist nicht das Gleiten, sondern das Kurvenfahren. Im Flachen verliere ich. Doch ich werde jedes Jahr ein wenig mehr Abfahrt und Super-G trainieren. Ich bin ja erst 24 und habe für die Speed-Disziplinen noch relativ viel Zeit.
Was ist beim Abfahren wichtig?
Unter anderem, dass man genügend Power besitzt! Die Speed-Athleten sind Kraftausdauer-Sportler – also Maximal-Kraftsporter, die ziemlich lange die Kraft halten müssen.
Und Slalomfahrer?
Die sind spritziger! Was das Körperliche betrifft: Man muss als Slalomist sehr, sehr schnellkräftig sein, man benötigt im Oberkörper-Bereich absolute Stabilität und man muss ein sehr gutes Balance-Gefühl besitzen. Und dies alles sollte bestmöglich koordiniert werden, deshalb mache ich ja Seiltanz-Übungen – habe ich schon als Kind gemacht! Das hatte ich mir von Ingemar Stenmark abgeguckt.
Dazu muss dann auch noch die Psyche funktionieren...
Genau. Beim Slalom ist die Gefahr auszuscheiden größer als in der Abfahrt. Wenn man zwei bis drei Mal raus fliegt, ist es schwierig, das Selbstvertrauen wieder zu gewinnen, das nötig ist, um ordentlich Gas zu geben. Der Grat zwischen „Gas geben“ und „Sicherheit“ ist sehr, sehr klein und da gilt es, den richtigen Mittelweg zu finden. Denn wenn man immer nur Vollgas fährt, kommt man zwar ein bis zwei Mal durch – aber die anderen Male eben nicht.
Betreiben Sie dazu geistige Übungen?
Ja – ich mache LifeKinetik. Das ist ein sehr, sehr interessantes Gehirn-Entfaltungs-Training, bei dem auch koordinative Übungen eine große Rolle spielen. Gehrinjogging mit verschiedenartigen Bewegungsabläufen. Es werden die unterschiedlichen Gehirnhälften trainiert – damit man ausgeglichener wird. Auch die Augen werden dabei bestens geschult, denn das Blickfeld ist ja ein großer Aspekt im Skisport – man kann besser focussieren.
Ihr Vater - Wengen- und Kitzbühel-Gewinner Christian Neureuther - hat sich zu seiner großen Zeit am Start am liebsten Rod Stewart auf dem Kassettenrecorder angehört. Was hören Sie auf Ihrem mp3-player?
Nichts. Denn ich will meine Ruhe haben, in der Vorstart-Zeit will ich mich konzentrieren! Manche brauchen Musik, um lockerer zu werden – ich selbst bin das meistens schon. Wenn ich da noch Musik hätte – das würde nicht gut gehen...
Peitscht Sie – in erlaubtem Maße natürlich – Kaffee vor dem Rennen auf?
Ich mag überhaupt keinen Kaffee! Ich habe einmal in meinem Leben einen Schluck genommen – und seitdem nie mehr! Ich trinke am liebsten Spezi und alkoholfreies Weißbier...
nterview: Jupp Suttner