Gegen den eisigen Wind der Stasi

„Sportsfreund Lötzsch“, ein Film über das Schicksal des großen Radtalents der DDR, der sich aber als nicht lienietreu erwies - und deshalb nie die Grenzen des Regimes verlassen durfte. Der Film läuft ab Donnerstag in München im Kino "Neues Arena".
MÜNCHEN In den 70er Jahren war Wolfgang Lötzsch das große DDR-Radsporttalent. Kein Revoluzzer gegen das sozialistische Staatssystem, aber eben auch kein Opportunist.
Das genügte, um in die Schusslinie der Herrschenden zu geraten. Lange fuhr er gegen den eisigen Wind der Stasi, von Sieg zu Sieg, deklassierte zum Teil die Kaderfahrer und wurde ungewollt ein Symbol des Widerstandes.
Aber nie durfte er über die Grenzen der DDR hinaus, nie bei einem wirklich großen Rennen starten. Sein einziger Lebensinhalt war das Radfahren, und diese Leidenschaft ließ er sich auch nicht durch staatliche Hindernisse nehmen. Er trainierte mit großem Ehrgeiz weiter. Alleine, ohne staatliche Förderung, mit veraltetem Rennradrahmen und ohne Aussicht auf die Teilnahme an den prestigeträchtigen Radrennen.
Jetzt, drei Jahrzehnte später, mit 55 Jahren, erfährt Lötzsch eine späte Würdigung. Er ist die Hauptfigur in seinem eigenen Film. „Sportsfreund Lötzsch“, ein Dokumentarfilm von Sandra Prechtel und Sascha Hilpert, der 2007 beim Leipziger Filmfest mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde, erzählt davon, wie ein an sich unpolitischer Mensch eine Widerstandskraft entwickelt, die einen ganzen Staatsapparat aus der Fassung bringt.
1971 war der Radler vom SC Karl-Marx-Stadt DDR-Meister in der Mannschaftsverfolgung, bei Olympia 1972 in München wäre er Mitfavorit gewesen. Doch dann wurde er „ausdelegiert“, so das Sportfunktionärs-Deutsch in der DDR. Kontakte zu seinem West-Cousin Dieter Wiedermann, dazu seine Weigerung der SED beizutreten, brachte ihn um Olympia und die große internationale Karriere.
Doch Lötzsch gab nicht auf, er fuhr weiter, beim Klassiker „Rund um Berlin“ siegte er 1983 gegen Größen wie Uwe Ampler und Olaf Ludwig. Sechs Jahre danach fiel die Mauer, 1990 schließlich folgte der letzte Triumph. Mit 37 Jahren. Im Straßenvierer wurde er Deutscher Meister.
„Natürlich bin ich froh, dass meine Geschichte und meine Leidenschaft verfilmt wurden – es macht mich ein bißchen stolz und dankbar", sagt Wolfgang Lötzsch der AZ. Genugtuung ist ihm fremd. „Ich bin kein Mensch, der nachkartet. Ich bin heute glücklich und zufrieden mit meinem Leben, es geht mir gut.“
Heute lebt er in Chemnitz. Karl-Marx-Stadt muss er schon lange nicht mehr sagen.
Reinhard Franke