"Zieht euch warm an!"

Was erwartet die Deutschen in Südafrika?Ex-Bayernstar Rainer Zobel ist seit einem Jahr dort. Ein Gespräch über Klima und Kriminalität, seltsame Riten und Porsches vor den Kneipen.
von  Abendzeitung
Es ist besser, viel zu laufen, wenn man abends in Johannesburg Fußball spielt. Es kann jetzt nämlich empfindlich kühl werden dort.
Es ist besser, viel zu laufen, wenn man abends in Johannesburg Fußball spielt. Es kann jetzt nämlich empfindlich kühl werden dort. © az

Was erwartet die Deutschen in Südafrika?Ex-Bayernstar Rainer Zobel ist seit einem Jahr dort. Ein Gespräch über Klima und Kriminalität, seltsame Riten und Porsches vor den Kneipen.

AZ: Herr Zobel, im letzten Juli sind Sie mal wieder umgezogen – nach Johannesburg. Ihr erster Eindruck damals?

RAINER ZOBEL: Sehr kalt! Wir hatten gleich ein Trainingsspiel in Bloemfontein, auch ein WM-Stadion. Da waren es abends minus sieben Grad.

Klingt nicht gut.

Nee. In Johannesburg war's schon besser. Da hat es im August auch schon mal Minusgrade, aber am Tag geht es bis auf 20 Grad hoch. Die Gefahr ist, dass man nicht mitbekommt, wenn die Temperatur innerhalb einer halben Stunde von 20 auf vier Grad fällt. Da ist die Erkältungsgefahr hoch. Das deutsche Team muss sich warm anziehen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Ihre Moroka Swallows sind im Mittelfeld der Liga gelandet und spielten in Afrikas Confed Cup gegen Teams wie Pamplemousse SC aus Mauritius. Als Ex-Bayern-Star arbeiten Sie in einem Ex-Slum – eine schwierige Umstellung?

Moroka ist ein Stadtteil von Soweto, aus dem längst eine Touristenattraktion geworden ist. Ich wohne in Bedfordview, in der Nähe des Flughafens. Ein schöner Stadtteil, alles sehr grün. Besonders wenn vor Weihnachten die Jacaranda-Bäe lila blühen.

Wie sieht es an Ihrem Arbeitsplatz in Soweto aus?

1994 war da der Aufstand und die Straßenschlachten, Soweto bestand vor allem aus Slums. Heute stehen da überwiegend kleine Steinhäuser, die recht komfortabel sind. Es gibt sogar Gegenden mit Villen und Hotels, eine große Mall samt Kino und Marktplatz, Golfplatz, Country Club. Vor manchen Kneipen stehen Porsches, BMWs und Cabrios. Soweto ist nicht mehr die Gangster-Hochburg, wie man es sich vorstellt. Leider gibt es noch gefährliche Viertel, aber eher im Zentrum von Johannesburg.

Ein Abendbummel in der City empfiehlt sich also nicht?

Man muss sich an die Hinweise der Südafrikaner halten. In Hillsborough im Zentrum, wo auch das Stadion Ellis Park liegt, sollte man sich abends nicht aufhalten. Das hat nichts mit schwarz und weiß zu tun, sondern mit Kriminalität, die eingewandert ist aus den Nachbarstaaten. Es gibt viele illegale ausländische Schwarze, Hausbesetzung, Drogenhandel, Mord. Leider ist das wirklich sehr gefährlich da. Obwohl es das einzige Viertel ist, wo nach zwölf noch was los ist. Johannesburg schläft um elf. Ansonsten lebe ich hier völlig sorglos. Die Kriminalität bedrückt einen schon, aber es gibt viele Schutzmaßnahmen wie Mauern und elektrische Zäune. Daran gewöhnt man sich.

Wie erleben Sie die Menschen in Südafrika?

Die Zulus sind ein sehr fröhliches Volk. Es wird viel getanzt, gesungen und unglaublich viel gelacht. Das macht schon Spaß, diese Lebensfreude zu erleben. Allein wie sich die Spieler bewegen, wie sie tanzen, miteinander ringen, ihre Kultur ausleben – einfach schön. Als ich neulich meine Frau zum Flughafen brachte, kamen gerade irgendwelche Chöre zu einem Treffen in Johannesburg an. Die fingen mitten im Flughafen an zu singen und zu tanzen. Wir haben ein Gospelkonzert der feinsten Sorte gratis miterlebt.

Wie sieht es im Fußball aus? Gibt es Rituale oder Bräuche, die unsereins nicht versteht?

Es gibt so eine Art Beeinflussung durch höhere Kräfte. Unser Zeugwart besprüht die in einer Reihe aufgestellten Fußballschuhe mit einem Wasser, das er selbst mixt. Woraus das besteht, verrät er nicht. Dann kommt noch so ein Wachs auf eine Pappe, das wird angezündet. Stinkt schrecklich - und wirkt auch nicht immer. Aber das sind halt Traditionen. Sie streiten auch immer, wer den besseren Zauber hat, ein richtiger Konkurrenzkampf.

Und Sie schauen sich das entspannt an?

Ich lasse die gewähren, weil die Spieler diese Traditionen brauchen. Zumindest beeinflusse ich das nicht und sage: Ich will diesen Blödsinn nicht. Das wäre respektlos. Zehn Minuten vor dem Spiel wird noch gesungen, getanzt und gebetet – undenkbar in Deutschland.

Wie ist die Fußballstimmung im Land? Der Ticketverkauf lief ja eher schleppend.

Die Vorfreude fehlt. Der Afrikaner ist viel spontaner als wir, und ich hoffe, es kommt noch. Aber wenn ich das vergleiche mit Deutschland 2006: Fußballfieber ist hier noch nicht.

Das Fifa-Leben wird sich wahrscheinlich im Nobel-Viertel Sandton im Norden der Stadt abspielen.

Nobel-Viertel? Na ja, ich wohne viel schöner. Klar, die Nelson-Mandela-Mall und Hotels wie das Hyatt in Sandton sind schon in Ordnung, aber was die Lebensqualität angeht, ist es nicht der schönste Stadtteil.

Was haben Sie vom Rest des Landes gesehen? Wo hat es Ihnen am besten gefallen?

60 Kilometer Richtung Norden, hinter Rustenburg, auch ein WM-Spielort, kommt das „Kleine Las Vegas“: Sun City. Das hat mir überhaupt nicht gefallen, ein Abklatsch, zu künstlich. Da findet man rund um Johannesburg auch Casinos und Musikshows. Aber zehn Kilometer weiter gibt es einen alten Vulkan-Krater, in dem ein Reservat angelegt worden ist, Pilanesberg. Wunderschöne Lodgen, Safaris, klasse Essen, Lagerfeuer – das hat uns ganz gut gefallen.

Ist die Arbeit mit südafrikanischen Kickern grundlegend anders?

Es gibt andere Ausreden, wenn ein Spieler nicht zum Training kommt. Von einem deutschen Trainer wird einfach erwartet, dass er Disziplin reinkriegt. Die nehmen das nicht so genau mit der Organisation auf dem Feld und außerhalb. Man muss darauf achten, dass es nicht vier Großmütter gibt, die ständig Geburtstag haben. Die haben hier mehr Omas als üblich.

Zur WM werden Sie wahrscheinlich viel Besuch aus der Heimat bekommen.

Die meiste Zeit werde ich in Deutschland sein. Seit Ende Mai ist die Saison vorbei. So oft sehe ich meine Familie nicht, da darf eine WM nicht der Grund sein, dass man wieder nicht daheim ist.

Und wer wird nun Weltmeister?

Eine europäische Mannschaft. Vielleicht Spanien, und natürlich habe ich die kleine Hoffnung, dass es Deutschland schafft. Ich glaube, das liegt ihnen hier, auch die klimatischen Bedingungen. Argentinier und Brasilianer werden sich schwer tun.

Interview: Thomas Becker

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