Kolumne

WM-Kolumne von Caro Matzko: Wahre Weltmeister

Die prominente Moderatorin ist ein Teil der Experten-Sechserkette der AZ.
von  Caro Matzko
Caro Matzko.
Caro Matzko. © IMAGO / Future Image

Liebe Leserinnen und Leser der Abendzeitung. Das ist nun - das Ende der Welt, wie wir sie kannten. Das Ende all dessen, was uns lieb und vertraut war, so dass wir in stabiler Seitenlage nachts ruhig schlafen konnten.

Japan gewinnt. Spanien verliert. Und die Deutschen gewinnen auch, verlieren aber trotzdem. Bei einer Sommer-WM, die in der Adventszeit stattfindet. Immerhin kann ich meine Trauer in einem Eimer Vanillekipferl ersticken. Ich sage bewusst Trauer. Denn sogar mir, die mit Fußball nichts am Hut hat, kullerte eine Träne der Enttäuschung über die Wange nach diesem Trauerspiel. Gut, es war auch eine Träne der Wut, weil ich die Kommentierung meines ARD-Kollegen Gottlob Wendehals als unfair und opportunistisch empfand. Oder können Sie mir erklären, was am Spiel der deutschen Elf "larmoyant" war? Geschweige denn folgende Text-Bild-Schere erläutern? "Die kommen nicht durch" - im Bewegtbild schießen die Deutschen just in diesem Augenblick ein Tor.

 "Ich finde, dass die Elf wirklich tapfer gekämpft hat"

Und dann noch eins. Lassen Sie uns verzweifelt nach den letzten leuchtenden Zimtsternen greifen: Niclas Füllkrug kehrt als Lichtgestalt aus der Wüste zurück. Ganz Deutschland findet ihn süß - auch weil er Mut zur Lücke hat. Wer gar nicht mehr weiß, was er jetzt noch schreiben soll zur WM, schafft immerhin Clickbait durch Bildergalerien à la "Wer sonst noch sexy Zahnlücken hat". Und der Transfermarkt reagiert freudig mit einer mittelgroßen Kapital-Erektion.

Ich mach jetzt auch mal einen auf dicke Hose: Ich finde, dass die Elf wirklich tapfer gekämpft hat. Und die Voraussetzungen waren wirklich nicht leicht, weil irgendwie ja von Anfang an alles falsch war. Und bleiben wir gelassen: Dass die Herren jetzt schon wieder nach Hause kommen, ist weder glamourös noch gereicht es dem DFB zur Zierde, aber - ganz ehrlich - ein Desaster ist etwas anderes. Ein Desaster ist zum Beispiel, was sich nach der Partie USA - Iran im Iran abgespielt hat.

"Meine Gedanken sind bei all den Freiheitskämpfer*innen im Iran"

Um dem Westen zu zeigen, dass sich die Iranerinnen und Iraner nach Freiheit und der guten alten Tante Demokratie sehnen, die wir hierzulande bisweilen wie ein zerlebtes Möbelstück behandeln, fahren viele von ihnen hupend durch die Straßen. Sie feiern die Niederlage der Nationalmannschaft und zeigen so, dass sie nicht länger gewillt sind, den von Regierungsseite diktierten Erzfeind USA weiter öffentlich zu verdammen.

Mit dabei: Mehran Samak, gerade mal 27 Jahre alt, aus Anzali. Er wird für sein Hupen von sogenannten Sicherheitskräften in den Kopf geschossen. Meine Gedanken sind bei all den Freiheitskämpfer*innen im Iran.

Ihr seid für mich die wahren Weltmeister.

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