WM-Kolumne von Caro Matzko: Endlich Weihnachten
Neulich war ich mal wieder mit dem Hund draußen. Ein Mann aus meiner Speckgürtel-Nachbarschaft kam da gerade nach Hause, parkte sein Auto in der Einfahrt und öffnete dann seine kleine Garage. Allerdings nicht, um zu parken, sondern um sich ein Bier zu holen. In der Garage versperrte eine Biertischgarnitur den Parkplatz. Darüber bibberte eine Wimpelkette in Schwarz-Rot-Gelb im eisigen Wind. Offensichtlich hat meinem Nachbarn sogar die Kraft und Motivation gefehlt, den Biertisch abzubauen, nach dem frühen WM-Aus unserer Elf. Und als ob er sich für seine heimliche WM-Partylocation, in der es nichts zu feiern gab, schämte, verschloss er hastig wieder das Garagentor und schimpfte nicht mal, als mein Hund an seine Hecke pinkelte.
"Bauernopfer" oder "Besser so"?
Ich finde, dass dieser stumme Einakter alles beschreibt, was aktuell zu sagen ist. Nach Deutschland und Spanien ist nun auch Oliver Bierhoff raus. "Erschreckend wie das vonstattengegangen ist", beklagt der ehemalige Hockey-Bundestrainer Markus Weise.
"Vielleicht war er zu eigenverliebt. Niemand weint ihm eine Träne nach", behauptet der für seine Selbstkritik und Uneigennützigkeit bekannte F.J. Wagner per Post. "Bauernopfer" oder "Besser so"?
Oliver Bierhoffs Amtsende ist ähnlich diskutabel, wie die eurozentristische Lesart was die deutsche Katar-Kritik angeht. Will sagen: Ist unsere scharfe Kritik an Katar berechtigt oder einfach nur scheinheilig und selbstgerecht? Schließlich treiben ja einige munter mit Katar Handel oder lassen sich sponsern - mit Trikots oder Rolex-Uhren. Dürfen ausgerechnet die Deutschen sich moralisch (über)heben?
Ich habe doch auch keine Ahnung. Vor allem nicht, ob "Darf man das"-Diskussionen uns weiterbringen. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass ich auf die Inhaftierung von Whistleblower Abdullah Ibhais hinweisen will. Der ehemalige Kommunikationsdirektor des Organisationskomitees der WM 2022 sitzt seit einem Jahr im Gefängnis in Katar. Abdullah ist inhaftiert, weil er interne Dokumente und WhatsApp-Chatverläufe geleakt hat, aus denen hervorgeht, wie das WM-Organisationskomitee kritische Berichterstattung über Arbeitsbedingungen verhindern wollte. Seine Familie hat diese Woche berichtet, dass er im Gefängnis gefoltert wurde. Damit keine weiteren Informationen über die Haftbedingungen nach außen gelangen, ist er aktuell in Isolationshaft. Garage zu. Mund tot. Wann ist endlich Weihnachten?