WM-Gespräch mit Masa Ogawa: Japans Spieler brauchen den Geist der Samurai - Das sagt der Kult-Trommler von Yamato zur WM 2018

Masa Ogawa, Gründer der Kult-Trommlerband Yamato, spricht in der AZ über Traditionen, das Entstehen einer Fußball-Szene in seinem Land – und erklärt, warum Kahn in Asien so populär ist.
Ogawa ist der Gründer und Art Director der japanischen Kult-Trommler-Truppe Yamato, die von 24. bis 28. Juli im Deutschen Theater auftritt.
AZ: Konnichiwa! Der japanische Stürmerstar Naohiro Takahara meinte, dass die traditionellen japanischen Stärken der Weg auch im Fußball zum Erfolg sei. Sie sind der Gründer der Kult-Trommler Yamato, was übersetzt „Das pure Japan“ bedeutet. Wie kann man sich diese Geisteshaltung vorstellen?
MASA OGAWA: Diesen Gedankengang tragen wir völlig mit. Zum Beispiel betreiben wir in Japan das Ritual Tama-ire. Das bedeutet: Den Spirit auf etwas übertragen, damit es mit Kraft erfüllt wird. Wir machen dies bei den Säulen, die ein Haus oder eine Brücke tragen. Diese Träger werden dadurch so stark, dass sie völlig sicher stehen. Das funktioniert auch bei den Menschen in Japan. Man kann ihnen Kraft übertragen, also auch Sportlern.
Ist das der Geist der Samurai? Wie kann man ihn beschreiben?
Der Geist des Samurai wandelt sich mit der Situation, mit der Herausforderung, mit der er konfrontiert ist. Er ändert sich aber auch durch die ureigene Philosophie des Ausübenden. Durch die Gedanken, die er in sich trägt. Der Spirit ist dafür verantwortlich, dass der Mensch ein starkes Fundament hat. Das wird Samurai genannt. Das brauchen die Fußballer, aber auch wir. Es ist klar, dass sowohl im Fußball als auch bei uns von Yamato die Vorstellungskraft, die Kreativität eine zentrale Rolle spielt. Wir alle haben eine genaue Vorstellung von unserer Show. Wenn wir als Gruppe dieses verbindende Band verlieren, können wir nichts kreieren. Das ist im Fußball nicht anders als bei uns.
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Das traditionelle Trommelspiel Taiko, das Sie betrieben, wurde von den Samurai angestimmt, bevor sie in Auseinandersetzungen zogen. Wäre das nicht die perfekte Musik, um sich auch auf ein Fußballspiel einzustimmen?
Absolut!
Yamato – das pure Japan. Wofür steht das?
Für unsere Generation ist die Vorstellung des traditionellen Japans ein Bild voller Reinheit. Es ist etwas, das wir im Kopf haben, es ist wieder Vorstellungskraft. Das pure Japan steht für unberührte, blühende Natur, kein Beton. Es herrscht Stille und Frieden. In Yamato spüren die Menschen den Geist des anderen durch die Herzen.
Und Taiko? Das traditionelle Trommelspiel?
Taiko ist ein Kommunikationsmittel. Mit Worten kann ich meinem Geist nicht adäquat Ausdruck verleihen. Ein Wort kann nie ein Gefühl in seiner vollen Tragweite erfassen. Aber wen du auf die Taiko-Trommel schlägst, werden sich die Schwingungen ausbreiten wie Wellen auf dem Wasser nachdem ein Stein hinein geworfen wurde. Diese Vibrationen werden alle Menschen, die die gleichen Gedanken und Gefühle in sich tragen, berühren.
Taiko wird auch oft als der Herzschlag Japans bezeichnet.
Sowohl der Ton des schlagenden Herzens als auch der der Trommel sind keine Klänge für die Ohren, sondern für die Seele. Gelegentlich führen wir unsere Show in Kindergärten auf. Es passiert oft, dass, wenn wir die großen Trommeln anschlagen, die kleinen Kinder friedlich einschlafen. Der Klang von Taiko ist identisch mit dem Herzschlag ihrer Mutter. Sie haben diesen Herzschlag gehört, als sie in ihrer Mutter herangewachsen sind und sie erinnern sich an diesen friedfertigen, behaglichen Zustand, wenn sie die Taiko hören. Ich hoffe zumindest, dass sie nicht vor Langeweile einschlafen. (lacht). Vielleicht kann man Taiko als etwas beschreiben, das die Menschen fundamental glücklich macht, es ist wie ein Sonnenaufgang im Herzen.
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Auch Trommeln ist ein absoluter Leistungssport.
Ja, in der Saison verlieren alle Trommler mehrere Kilos. Aber machen Sie sich keine Sorgen, die packen sie bald wieder drauf. Alle haben einen gesunden Appetit. Wir stehen um sechs Uhr auf, machen dann einen Zehn-Kilometer-Lauf. Dann gibt es Frühstück, es folgen Körper- und Fitnessübungen sowie Trommel-Übungen. Wir betreiben Gewichtstraining, dabei verwenden wir die großen Trommeln als Hanteln. Dann machen wir Schatten-Trommeln mit den großen Bachi-Schlegeln – 3000 Mal. Das Trommeltraining geht bis spät in die Nacht weiter.
Wie wichtig war die WM 2002 in Japan und Südkorea für den Fußball dort?
Es war der Anfang, die Geburt der Fußball-Szene in Japan. Ich selber bin ein sehr schlechter Fußballer, aber ich schaue gerne mal zu. Meine Lieblingsspieler sind Hidetoshi Nakata and Shinji Kagawa.
Ihre schönste Fußball-Erinnerung?
Das war 2011, als unser Frauen-Team, das Nadeshiko genannt wird, die WM gewinnen konnte. Wir waren gerade auf Tour in Deutschland und traten auch am Finaltag auf. Nach der Show kamen wir ins Hotel und das Finale war in seinen allerletzten Sekunden. Wir haben auf einer riesigen Leinwand zugeschaut, wie Japan den Titel geholt hat. Die Deutschen in der Lobby haben uns dann riesigen Applaus gespendet. Das war ein toller Moment.
Warum ist eigentlich Oliver Kahn, der Torwart-Titan, in Japan so populär?
Die Erinnerungen an Kahn sind bei uns sehr lebendig. Er hat einen Charakter, der ihn unverwechselbar macht. In erster Linie ist er sehr aggressiv. Man kann seine Energie spüren, in seinem Gesicht ablesen. Jede Aktion strotzt vor Energie. Wir konnten aber immer sein Herz, seine Seele spüren. Er schaut oft sehr zynisch, aber er hat eine charmante Art. Er hat Witz und ein großes, warmes Herz.
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