WM-Analyse von Joachim Löw: Bundestrainer über das Ausscheiden

Nach der verkorksten Weltmeisterschaft in Russland hat Bundestrainer Joachim Löw am Mittwoch die Ergebnisse der Analyse präsentiert. Deutlich wie selten äußerte er sich dabei über die Missstände, die beim DFB-Team vorherrschen.
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DFB-Teammanager Oliver Bierhoff am Mittwoch bei der Präsentation der WM-Analyse.
Sven Hoppe/dpa DFB-Teammanager Oliver Bierhoff am Mittwoch bei der Präsentation der WM-Analyse.

München - In der Allianz Arena präsentierte DFB-Trainer Joachim Löw am Mittwochmittag die Ergebnisse der WM-Analyse. Gleich zu Beginn wurde der 58-Jährige sehr deutlich: "Das WM-Aus war natürlich ein absoluter Tiefschlag, da gibt es nichts zu beschönigen. Wir sind alle weit unter unseren Möglichkeiten geblieben und haben dafür zurecht die Quittung bekommen." Die ersten zwei, drei Tage nach dem Aus waren für Löw geprägt von Frust, Enttäuschung und "einer großen Portion Wut".

Löw und Teammanager Oliver Bierhoff war jedoch schnell klar, dass sie auch nach 14 Jahren gemeinsam weitermachen wollen. "Wir wollen das, was wir in Russland verbockt haben, wieder auf gute Beine stellen und das Schiff wieder auf Kurs bringen", so Löw. Die Analyse, bzw. die Präsentation der Ergebnisse, findet erst jetzt statt, da sich Löw noch mit allen wichtigen Spielern nach deren Urlaub austauschen wollte. Laut Löw war die eigentlichen Analyse bereits drei bis vier Wochen nach dem Ausscheiden gemacht.

Im Rahmen der Analyse wurden auch die WM-Turniere 2010 und 2014 zum Vergleich herangezogen: Sei die Mannschaft 2010 noch sehr defensiv geprägt gewesen, spielte die Nationalmannschaft 2018 sehr auf Ballbesitz. Laut Löw lag das Weltmeister-Team von 2014 in der "goldenen Mitte". Allgemein stand die Defensive bei der WM in Russland im Vordergrund, die Mannschaften erzielten ihre Tore mehr über das Konterspiel. Auch Standardsituationen hatten eine entscheidende Rolle.

WM-Aus: Taktik und Mentalität waren ausschlaggebend

Bei der Taktik wird Löw wieder sehr deutlich: Für ihn sei es die "größte Fehleinschätzung" gewesen, gedacht zu haben, mit dem etablierten Ballbesitz-Spiel die Vorrunde zu bestehen. Weiter räumt er eigene Fehler ein: "Es war fast schon arrogant. Ich wollte das auf die Spitze treiben und es noch mehr perfektionieren. Ich hätte die Mannschaft vorbereiten müssen so wie es 2014 der Fall war, als es eine Ausgewogenheit gab zwischen Offensive und Defensive."

Neben dem Taktischen sprach Löw auch über die Mentalität des Teams, die für das WM-Debakel verantwortlich war. Der Enthusiasmus war nicht da, man habe es nicht geschafft, "dieses Feuer zu entzünden". Auch hier sieht Löw die Fehler dabei vor allem bei sich selbst. "Das wäre natürlich auch meine Aufgabe gewesen, dass in der Mannschaft zu forcieren", so der Bundestrainer.

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Löw: Thomas Schneider ist nicht mehr Co-Trainer

Löw sprach auch über personelle Veränderungen: So wird Thomas Schneider wird nicht mehr zum Trainerstab gehören. Stattdessen übernimmt er die Leitung der Scouting-Abteilung. "Wir wollten ganz bewusst einen Fachmann im Scouting-Team haben, was die Gegneranalyse betrifft. Urs Siegenthaler wird selbstverständlich weiter in diesem Bereich zuständig sein", sagte Löw. Schneider hatte nach dem WM-Triumph 2014 das Amt als "Co" von Hansi Flick übernommen. Im Stab von Löw bleiben dagegen Assistent Marcus Sorg und Andreas Köpke als Bundestorwarttrainer.chen Spielern zu finden."

Auch der erweiterte Betreuerstab wird zukünftig deutlich kleiner sein. Im Vergleich zum WM-Aufgebot werden demnach elf, im Vergleich zu normalen Länderspielen sieben Person weniger im Einsatz sein, wie Teammanager Oliver Bierhoff hinzufügte.

Beim Kader möchte Löw in Zukunft den "richtigen Mix aus Erfahrung und jungen, dynamischen Spielern" finden.

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Löw über Özil und "Erdogate"-Affäre

Auch auf die Personalie Mesut Özil und die "Erdogate-Affäre" kommt Löw zu sprechen. Demnach habe Özil den Bundestrainer bis heute nicht persönlich angerufen – und das obwohl Löw laut eigener Aussage mehrfach das Gespräch gesucht hat. "Er hat sich für diesen Weg entschieden, das muss ich akzeptieren", so Löw. Vom DFB-Rücktritt Özils hat Löw von dessen Berater erfahren.

Die Rassismus-Aussagen in Özils Statement bezeichnete der Bundestrainer als "überzogen". "Es gab nie in der Mannschaft auch nur einen Ansatz von Rassismus, keinen Ansatz von rassistischen Äußerungen", betonte Löw. Özil hatte unter anderem dem DFB-Präsidenten Reinhard Grindel Rassismus vorgeworfen.

Im Vorfeld der WM sorgten die Fotos von Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für großen Wirbel. Löw dazu: "Dieses Thema hat natürlich auch Kraft gekostet und war nervenaufreibend. Das soll jetzt aber kein Alibi dafür sein, dass wir ausgeschieden sind. Für mich war klar, dass ich Mesut und auch Ilkay Gündogan aus sportlichen Gründen nominiere."

Bierhoff äußerte sich zu Özil: "Dass dieser Rücktritt so vollzogen wurde, das schmerzt uns alle." Die gesamte Führung habe die Situation nach dem Auftauchen der Erdogan-Fotos falsch eingeschätzt.

Bierhoff mit harscher Kritik an DFB-Elf

Bierhoff hat den Auftritt der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Russland stark kritisiert. "Uns hat die richtige Einstellung gefehlt. Wir sind selbstgefällig aufgetreten, wir haben die Unterstützung der Fans für zu selbstverständlich gehalten", so Bierhoff. Man habe gedacht, dass das ein Selbstläufer sei, ergänzte Bierhoff.

DFB-Teammanager Oliver Bierhoff am Mittwoch bei der Präsentation der WM-Analyse.
DFB-Teammanager Oliver Bierhoff am Mittwoch bei der Präsentation der WM-Analyse. © Sven Hoppe/dpa

Kader für nächste Testspiele: Khedira ist raus

Im Anschluss an die Analyse hat Bundestrainer Löw den Kader für die kommenden Länderspiele gegen Frankreich und Peru bekanntgegeben: Mit dabei sind die Neulinge Thilo Kehrer (Paris Saint-Germain), Nico Schulz (TSG 1899 Hoffenheim) und Kai Havertz (Bayer 04 Leverkusen). Nicht mehr nominiert wurde hingegen Weltmeister Sami Khedira von Juventus Turin, mit dem Löw ein längeres Gespräch geführt habe. Für die Position, also das defensive und zentrale Mittelfeld, habe Löw jüngere Spieler im Kopf. Jedoch könne sich Khedira mit guten Leistungen wieder für einen Einsatz in der DFB-Elf empfehlen.

Vom FC Bayern sind Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Mats Hummels, Joshua Kimmich, Niklas Süle, Leon Goretzka und Thomas Müller dabei. Auch Leroy Sané von Manchester City wurde wieder nominiert – vor der WM nahm Löw den Offensivmann nicht mit nach Russland.

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Uli Hoeneß: WM-Analyse ist eine "Alibi-Veranstaltung"

Kritik an der Pressekonferenz gab es im Vorfeld von Bayern-Präsident Uli Hoeneß, der von einer "Alibi-Veranstaltung" sprach.

+++ Dieser Artikel wird fortlaufend aktualisiert +++

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