WM-Affäre: Alles nur Kaiserschmarrn?
Mit welch überschwänglichen Ehrerweisungen wurde Franz Beckenbauer immer wieder bedacht. Der Kaiser. Die Lichtgestalt. Selbst den Namen Franz, einst einer der häufigsten in Deutschland, hat er mit seiner Aura so überzogen, dass jeder wusste, wenn vom Franz die Rede war, nur einer gemeint war: eben Beckenbauer.
Doch im Zuge der WM-Affäre um das Sommermärchen 2006 drängen sich nach den Enthüllungen andere Begriffe auf. Der Unwissende oder Märchen-Onkel. Nach dem Bericht der Kanzlei Freshfields über die dubiosen Zahlungen und Vorgänge im Vorfeld der Vergabe der WM 2006 nach Deutschland gerät Beckenbauer immer mehr ins Zentrum des Skandals. Ein „direkter Stimmenkauf“ konnte zwar „nicht bewiesen“, aber auch „nicht ausgeschlossen“ werden. Nun nahm Beckenbauer über seine Hauspostille „Bild am Sonntag“ zu den Vorwürfen Stellung. Er redete – und sagte wieder einmal fast nichts. Seine Verteidigungs-Strategie: Mein Name ist Franz, ich weiß von nichts. Auch von neuen Belegen für Millionen-Transfers über ein persönlich mit seinem verstorbenen Manager Robert Schwan geführtes Konto in Richtung Katar ließ sich der Organisationschef der WM-Endrunde 2006 nicht aus der Reserve locken.
Beckenbauer will nicht wissen, was mit den 6,7 Millionen gemacht wurde
„Ich hatte damit nichts zu tun. Robert hat mir alles abgenommen – vom Auswechseln der Glühbirne bis hin zu wichtigen Verträgen“, sagte er in „BamS“. Beckenbauer will immer noch keine Ahnung von der weiteren Verwendung der ominösen 6,7 Millionen durch Strippenzieher Mohamed bin Hammam haben. „Was in Katar mit dem Geld gemacht wurde“, erklärte der 70-Jährige zu den 14 Jahre zurückliegenden Überweisungen, „weiß ich nicht.“ Gleiches gelte für den nicht minder fragwürdigen Vertrag von 2000 mit bin Hammams Fifa-Komplizen Jack Warner und spätere Zuwendungen für den zwielichtigen Funktionär aus der Karibik.
Nur soviel weiß Beckenbauer doch: „Wir haben keine Stimmen gekauft. Definitiv nicht.“ Die unbestrittene Schlüsselfigur der Affäre beharrte auch auf der altbekannten Darstellung, die mehrfach verschleiert geflossenen Millionen seien eine Vorleistung für einen 25-fach höheren Zuschuss der Fifa gewesen, und sprach sogar von einer Rettungsaktion: „Sonst hätten wir keine WM in Deutschland gehabt. Stellen Sie sich vor, die WM wäre geplatzt – was für eine Blamage für Deutschland.“
Schadensersatz: "Ich wüsste nicht, wofür"
Von einer Schadenersatzforderung des DFB will er erst recht nichts wissen: „Ich wüsste nicht, wofür.“ Weil Beckenbauer jedoch nicht verborgen geblieben sein dürfte, in der Öffentlichkeit viel Ansehen eingebüßt zu haben, schaltete der frühere Weltklasse-Libero in den Angriffsmodus um: „Mein Lebenswerk lasse ich mir nicht kaputt machen. Ich bin als Spieler Weltmeister geworden und als Trainer. Ich habe mitgeholfen, die WM nach Deutschland zu holen, sie ist ein großer Erfolg geworden. Das Sommermärchen bleibt. Im Nachhinein habe ich vielleicht Fehler gemacht, hinterher ist man immer schlauer.“
Freshfields hält das angeschlagene Idol zumindest für schlauer als den naiven Herrn Beckenbauer, als der sich der 70-Jährige bereits im vergangenen Herbst in einem Interview wahrgenommen sehen wollte: „Seine Unkenntnis“, konstatierten die DFB-Ermittler in ihrem Bericht vom Freitag mit Blick auf die Transaktionen über ein Schweizer Anwaltsbüro, mute „befremdlich“ an, „es ist für uns kaum vorstellbar, dass man derartige Geldbewegungen auf eigenen Konten nicht mitbekommt“.
Alles nur Kaiserschmarrn? Beckenbauer hat auch namhafte Fürsprecher. Während der frühere Bundes-Innenminister Otto Schily Beckenbauer aus der Schusslinie („Er hat sich vielleicht leichtsinnig verhalten“) nahm, attackierte der SPD-Politiker den früheren OK-Vizepräsidenten Theo Zwanziger wegen der vorsätzlich falsch deklarierten Rückzahlung des Millionen-Betrags an Louis-Dreyfus scharf: Der ehemalige DFB-Chef habe „uns getäuscht. Im Hintergrund wurde etwas ganz anderes veranstaltet von Herrn Zwanziger. Einer, der für diese Täuschung verantwortlich war, war leider Herr Dr. Theo Zwanziger.“ Das muntere Schuldzuweisen geht weiter.