WM 2018: Joachim Löw kann bester Bundestrainer aller Zeiten werden
Watuniki - Ob er nervös sei vor solch einem Mammut-Turnier, das wird Joachim Löw nach seinen zwölf Jahren als Bundestrainer, nach sechs Endrunden als allein verantwortlicher Coach schon gar nicht mehr gefragt.
Dass der 58-Jährige angespannt ist, sozusagen in produktiver Unruhe und vor dem Auftaktspiel am kommenden Sonntag in Moskau gegen Mexiko im positiven Sinne aufgeregt, das bestätigen Vertraute und Beobachter.
Weil Löw vier Jahre auf den neuen Höhepunkt WM 2018 in Russland hingearbeitet hat. Auch wenn er natürlich vor zwei Jahren in Frankreich gerne das Double geholt hätte und Europameister geworden wäre, so sieht er eine EM immer nur als Zwischenschritt an, als Etappe zur nächsten WM. Ein Turnier mit bis zu sieben Spielen inklusive Finale wie diese WM halte für ihn eine "enorme Emotionalität" bereit, wie er sagt. 24 Stunden am Tag, sieben Tag die Woche – 24/7 Löw. 24/7 Russland. 24/7 ein Ziel.
Jogi Löw über seine Arbeit: "Du hängst alles rein"
Vom Beginn des Trainingslagers in Südtirol bis zum möglichen Finale am 15. Juli in Moskau wäre der Cheftrainer mit seinen 23 Auserwählten und den etwa doppelt so vielen Trainern, Betreuern und Helfern mehr als sieben Wochen lang zusammen, immer unter einem Dach. Eine Grenzerfahrung.
"Du hängst alles rein, du bist fokussiert, du bist zielorientiert. Als Einzelner, als ganzes Team", betont Löw, "das ist eine körperliche Anstrengung, die an Grenzen führt – gleiches gilt für den mentalen Bereich." Dieses Mal umso mehr. Löw ist der Titelverteidiger. Erstmals hat er etwas zu verlieren beim Start in ein Turnier – und doch alles zu gewinnen. Er kann diesen Sommer der Größte werden: Doppelweltmeister, Trainer des Titelverteidigers.
Weder Sepp Herberger, dem Vater des "Wunder von Bern" 1954, noch Helmut Schön, dem Macher der Heim-Weltmeister 1974, nicht mal der Lichtgestalt Franz Beckenbauer ist dies gelungen. Dem Kaiser wird ein ganz spezielles Triple zugesprochen: Weltmeister als Kapitän (1974), als Teamchef (1990) und als OK-Chef der Sommermärchen-WM 2006. Doch dieser Ruhm hat Kratzer durch die Schmiergeld-Affäre abbekommen.
Bundestrainer Jogi Löw hat beste Siegquote
Löw dagegen ist skandalfrei. Von den 162 Spielen mit ihm als Trainer konnte die Nationalmannschaft 107 gewinnen, das sind 66 Prozent. Das ist der beste Wert aller Bundestrainer – und das, obwohl er wie Erich Ribbeck oder Reichtrainer Otto Nerz selbst nie Nationalspieler war. Löw, mit 81 Zweitliga-Toren Rekordhalter in der ewigen Torschützenliste des SC Freiburg und Ehrenspielführer der Breisgauer, hat sich in die Riege der DFB-Trainerlegenden gearbeitet. Nicht nur sportlich, weil er in jedem seiner sechs Turniere mindestens das Halbfinale erreicht hat, zwei Mal sogar das Finale.
Herberger, Schön, Beckenbauer, die drei Weltmeistertrainer vor Löw, waren allesamt Menschenfänger, Menschenversteher. "Er war wie ein Vater zu uns", beschrieb Spieler Jupp Posipal die Autorität Herberger. "Der wollte keinen Ärger", sagte Gerd Müller über Schön, der laut Sepp Maier "verständnisvoll, aber sehr empfindlich" war. Und der Franz? "Der war eben der Franz", so Lothar Matthäus.
So schaltet Jogi Löw ab
Was verbindet nun Löw mit seinen drei Vorgängern, den Trainerweltmeistern? Wenig. Als Herberger aufhört, ist der kleine Schwarzwald-Bub Jogi gerade mal vier. Bei Schöns WM-Triumph 1974 kickt der Gymnasiast in seinem Geburtsort Schönau für die TuS, später für den FC. Während der Kaiser-WM 1990 spielt Löw in der Schweiz für den FC Schaffhausen. Beim Sommermärchen 2006 war Löw der technisch-taktische Mastermind hinter Motivator Jürgen Klinsmann, den er dann im Anschluss an den dritten WM-Platz beerben sollte.
Aktuell ist Löw bereits im Tunnel, in diesem Mix aus Anspannung und Konzentration. "Ich versuche, keine Ablenkung zuzulassen", sagt er. Beim Sport schaltet er ab. Sein Ritual: Drei Stunden vor Anpfiff einer Partie geht er in den Fitnessraum des Hotels, macht mit Thera-Bändern spezielle Übungsformen zur Stärkung der Muskulatur. Eine Anti-Stress-Maßnahme. Man sieht es an Löws Oberarmen. Wenn Löw am Ziel ist, spannt er sie am 15. Juli in Moskau kameragerecht an.
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