WM 2018: Ex-Bayern-Star Toni Kroos erinnert an Bastian Schweinsteiger
München – Berlin, 27. März, Olympiastadion - die DFB-Elf hatte gerade gegen Brasilien 0:1 verloren. Ausgerechnet gegen das Land, das die deutsche Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 7:1 vom Platz gefegt hatte - und damit die ganze Welt in Staunen versetzte. Dieses Mal waren die Fans des DFB-Teams aber enttäuscht. Stratege Toni Kroos war vor allem eines: sauer.
Im Interview mit dem "ZDF" geriet der 28-Jährige in Rage und schimpfte über sein Team. "Mannschaftlich überwiegt klar das Negative. Da haben wir mal gesehen, dass wir doch nicht so gut sind, wie uns immer eingeredet wird oder wie vielleicht auch einige von uns denken", sagt er. "Das war deutlich zu wenig von vielen."
Toni Kroos kritisierte DFB-Kollegen
Auf die Frage, was sich in Hinblick auf die WM 2018 in Russland verbessern müsste, hatte er nur eine Antwort: "Alles. Besonders die Abläufe mit Ball haben mir gar nicht gefallen. Wir haben uns viel zu einfach abkochen lassen und das, obwohl wir einige Spieler auf dem Platz hatten, die die Möglichkeit hatten, sich auf dem Niveau zu zeigen. Das haben sie nicht getan."
Südtirol, Anfang Juni, WM-Trainingslager - nach dem Gewinn der Champions-League mit seinem Klub Real Madrid ist der ehemalige Bayern-Spieler aus seinem kurzen Sonderurlaub zurückgekehrt und zum DFB-Team gestoßen. Gerade erst da, macht er auch jetzt wieder öffentlich Ansagen.
Für seine harten Worte vor rund zwei Monaten möchte er sich nicht entschuldigen. Ganz im Gegenteil: Er sieht den Sachverhalt noch immer genauso. "Damals ging es mir nicht um persönliche Kritik. Wir haben gegen Brasilien vor 80.000 Fans gespielt. Ich finde, da sollte jeder alles geben", meint er. "Und das Gefühl hatte ich damals nicht."
Ist er der neue Schweinsteiger im DFB-Team?
Kroos erklärt weiter, dass er kein Problem damit habe, "so etwas wieder zu tun". Klare Ansage, deutliche Worte. Stellt sich die Frage: Hat das DFB-Team mit Kroos endlich wieder einen Leader? Jemanden, der die Sache auf den Punkt bringt und nicht davor zurückschreckt, die Dinge beim Namen zu nennen? Die Mannschaft auch mal (öffentlich) zu kritisieren – einen, wie Ex-Bayern-Kollege Bastian Schweinsteiger?

Denn genau so einen braucht das Team um die Bayern-Stars Thomas Müller und Jérôme Boateng. Am 17. Juni beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland für Deutschland, und die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw steht unter großem Druck, den begehrten Titel zu verteidigen.
Kroos: "Wir haben noch Luft nach oben."
Kroos sieht sich und seine Kameraden für diese Herkules-Aufgabe derzeit noch nicht in Form, wie er der "tz" erklärte: "Ich sehe bei uns eine gute Mischung. Qualitativ sind wir mit der Mannschaft von 2014 auf Augenhöhe, wenn nicht sogar besser. Mit Ball sind wir fast sogar stärker, ohne Ball haben wir noch Luft nach oben."
Seit damals hat sich der Spielmacher von Real Madrid selbst enorm weiterentwickelt. Nicht nur fußballerisch – er gilt als einer der technisch stärksten Spieler Deutschlands, ja der Welt –, sondern vor allem persönlich. Er traut sich, auszuholen und seine Meinung zu äußern, ganz anders als damals zu seiner Zeit beim FC Bayern.
Fans des Rekordmeisters erinnern sich noch sechs Jahre später daran, wie sich Kroos im Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea weigerte, einen Elfmeter zu schießen. Es fehle ihm an Körpersprache und Leadermentalität, hieß es damals. Kurz darauf war Kroos in München Geschichte.
Wie einst Schweinsteiger, Lahm und Klose
Nun ist Kroos dieser Anführer – bei Real Madrid und im DFB-Team. Wie ehemalige Leitwölfe, zum Beispiel Schweinsteiger, Philipp Lahm oder Miroslav Klose. Als sie in Fußballer-Rente gingen, musste ein neuer Chef her. Kroos hat das verstanden.
Er erklärt: "Das Gerüst der Mannschaft ist ähnlich wie 2014, aber wichtige Eckpfeiler fehlen. Damals waren wir nur ganz schwer zu schlagen. Da sind wir als Einheit aufgetreten. Auf und neben dem Platz. Wir brauchen elf Spieler auf dem Platz, die mit Hingabe verteidigen. Wir haben kaum Gegentore bekommen. Das war kein Zufall. Zuletzt haben wir deutlich mehr Gegentore kassiert. Das war auch kein Zufall."

Wie wichtig ein Spieler ist, der die Mannschaft zurechtweist und zugleich motiviert, zeigt das Beispiel des Ex-Bayern-Spielers Schweinsteiger. Obwohl er bei der EM 2016 vor zwei Jahren nicht mehr als Stammspieler gesetzt war, blieb er ein wichtiger Teil des Teams. Ein Eckpfeiler, um es mit den Worten von Kroos zu sagen.
Er ist der Nachfolger, den Löw jetzt braucht
Und ausgerechnet in ihm, dem einst schüchternen und zurückhaltenden Kroos, scheint Bundestrainer Löw jetzt den geeigneten Ersatz für Schweinsteiger gefunden zu haben: Fußballerisch äußerst stark und auch abseits des Platzes mittlerweile eine Größe.