Witwe Teresa Enke: "Wir dachten, wir schaffen alles"
HANNOVER - Die Witwe erzählt von der Krankheit ihres Mannes, seiner Angst, dass alles rauskommt, und von ihrem Kampf um sein Leben
Wie viel Kraft muss sie dieser Auftritt gekostet haben? Wie viel Mut gehört dazu? Ihr Mann ist noch nicht einmal einen Tag tot. Und dennoch wagt Teresa Enke den Weg in die Öffentlichkeit – es wird eine der bewegendsten Pressekonferenzen des Jahres.
Teresa Enke will erklären, warum sich ihr Mann Robert umgebracht hat. Sie will sagen, wie sie seine Krankheit miterlebt hat. Wie sie versucht hat, diese Krankheit mit Liebe zu besiegen. Wie sie damit gescheitert ist. Und vor allem will sie über das Tabuthema Depressionen reden – und die Angst ihres Mannes, dass sein Leiden öffentlich wird.
Es ist Mittwoch kurz nach 13 Uhr, als Teresa Enke auf der Pressekonferenz von Hannover 96 zu sprechen beginnt. Das Fernsehen überträgt live. Teresa Enke ist in Schwarz gekleidet, ihre dunklen Haare hat sie mit Haarspangen nach hinten geklemmt. Die ganze Republik kann in ihr trauerndes Gesicht sehen. Die Augen sind verweint, aber die Witwe weiß, was sie sagen will. Zu diesem Zeitpunkt hat sie bereits einen Kondolenz-Brief von Bundeskanzlerin Angela Merkel bekommen. Einen Brief an eine starke Frau.
„Wenn er akut depressiv war, war das eine schwere Zeit“, sagt sie mit leiser Stimme. Sie schaut nach unten. Sie sagt jetzt endlich, was ihr Mann, der Fußball-Star, so lange verschwiegen hat. Sie erzählt, wie schlecht es Enke ging, „weil ihm auch der Antrieb gefehlt hat und die Hoffnung auf eine baldige Besserung“. Damals, als er beim Top-Fußballclub Barcelona aussortiert wurde, sei es besonders schlimm gewesen.
Teresa Enke sagt, dass „die Schwere darin bestand, das Ganze nicht in die Öffentlichkeit hinauszutragen“. Robert Enke hatte Angst, seinen Sport zu verlieren. „Im Nachhinein ist das Wahnsinn. Es kommt jetzt ja auch raus.“
Über die Depressionen sagt sie: „Wir haben sie zusammen durchgestanden. Weil wir schon einmal eine schwere Zeit durchgestanden haben.“ Sie spricht über den Tod ihrer Tochter Lara. Das Mädchen starb 2006 im Alter mit nur zwei Jahren an einem Herzfehler. Das Ehepaar habe den Schicksalsschlag als Bewährungsprobe empfunden. „Das hat uns so zusammengeschweißt, dass wir dachten, wir schaffen das“, sagt Teresa Enke. Sie habe versucht, für ihn da zu sein, ihm Perspektiven und Hoffnung zu geben.
Vor einem halben Jahr adoptierten die Enkes ein in Deutschland geborenes Baby Leila. Für ein weiteres eigenes Kind wollte sich die Familie Zeit lassen. „Ich habe gesagt, dass der Fußball nicht alles ist, dass es so viele schöne Dinge gibt, auf die man sich Freude kann“, sagt die Witwe. „Dass wir uns haben, dass wir Leila haben, dass wir Lara hatten. Dass es eine Lösung gibt, wenn man zusammenhält.“
Doch Enke hatte Angst. Davor, dass alle über ihn sagen: Der Enke ist ein Depressiver. Davor, dass er als zweiter Sebastian Deisler gilt (siehe Seite zwei). Nicht einmal die Mannschaftskameraden sollten etwas wissen. „Er wollte es nicht, aus Angst, dass alles rauskommt. Und aus Angst, dass er Leila verliert.“ „Was denken die Leute, wenn man ein Kind hat, und der Papa ist depressiv?“, habe er gefragt. Ein zweites Mal wollte Enke eine Tochter nicht verlieren. Dabei sei die Sorge unbegründet gewesen. Teresa Enke hat selbst beim Jugendamt angerufen und sich erkundigt, dass Leila den Enkes nicht weggenommen werden würde.
Dann spricht sie über ihre Versuche, ihren Mann zu unterstützen. „Ich bin mit zum Training gefahren.“ Sie wollte bei ihm sein, als er in den letzten Wochen nach einer Virusinfektion wieder auf dem Platz stand. „Das Training war für ihn der Halt.“ Sein Beruf lenkte ihn ab. „Fußball war alles, sein Leben, sein Lebenselixier.“ In den vergangenen Wochen habe er gesagt: „Es ist so schön, ein Teil der Mannschaft zu sein.“
Sie habe ihm auch gesagt, dass er andere Hilfe als nur seinen Kölner Arzt Valentin Markser in Anspruch nehmen solle. „Er wollte es nicht, aus Angst, dass es rauskommt.“ Am Ende ihres bewegenden Auftritts weint sie dann doch. Sie sagt: „Wir dachten, mit Liebe geht das. Aber man schafft es doch nicht.“
Volker ter Haseborg
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