Wirrwarr um die WM-Vergabe: Der Skandal im Überblick
Frankfurt/Main - Nierbach unterstrich zum wiederholten Male, Deutschland habe die WM 2006 "auf korrektem Weg" und dank einer "erstklassigen Bewerbung" bekommen. Er schloss aus, dass irgendwelche Gelder vor oder/und nach der Vergabe zu Korruptionszwecken verwendet worden seien. Niersbach: "Das Sommermärchen war und bleibt ein Sommermärchen!"
Welche zentralen Fragen konnte Niersbach nicht beantworten?
Warum mussten die deutschen WM-Macher 2002 umgerechnet 6,7 Millionen Euro an die FIFA überweisen, um später vom Weltverband umgerechnet 170 Millionen Euro erhalten zu können? Dazu sagte der 64-Jährige: "Es ranken sich Fragezeichen, die auch ich sehe." Der Verlauf der Überweisung, auch die Herkunft des Geldes bei der Rückzahlung ist weiter unklar. Warum wurden 6,7 Millionen Euro - aus dem Kulturtopf? - genommen, um ein privates Darlehen zurückzuzahlen? Warum überwies Louis-Dreyfus 2002 an die FIFA-Finanzkommission, wenn die Zahlung angeblich buchhalterisch zu Lasten des deutschen Organisationskomitees ging?
Wie versucht Niersbach, die Überweisung zu erklären?
Der frühere adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus habe dem WM-Organisationskomitee aufgrund damals noch fehlender Mittel des Gremiums den Betrag vorgestreckt - und diesen an die FIFA-Finanzkommission überwiesen, also ohne Umweg über den DFB oder das OK. Zuvor soll Franz Beckenbauer angeboten haben, das Geld aus seinem Privatvermögen zu leihen. Auf Anraten seines Beraters Robert Schwan habe er sich dagegen entschieden.
Was muss nach dem Auftritt von Niersbach dringend geklärt werden?
Weiter nicht einleuchtend erscheint die Notwendigkeit des Überweisungs-Tricks, ebenso der Verzicht der WM-Macher auf Unterstützungsanfragen bei Banken, dem DFB oder gar der Bundesregierung. Niersbach sagt dazu: "Ich war in Finanzabwicklungen nur sehr bedingt eingebunden." Für die OK-Finanzen war Theo Zwanziger verantwortlich.
Muss sich Niersbach Vorwürfe machen?
Ja. Der DFB-Präsident wusste nach eigener Aussage seit Juni von den Vorgängen. Er habe auf "merkwürdigen Umwegen" von den Problemen mit den 6,7 Millionen Euro erfahren. Niersbach sprach von einem "Versäumnis", dass er die übrigen Mitglieder des Präsidiums "nicht früher" informiert habe: "Das nehme ich auf meine Kappe." Bei Beckenbauer hatte sich Niersbach am Dienstag in Salzburg persönlich über die Vorgänge informiert.
Welche Rolle spielt Beckenbauer?
Eine ziemlich mysteriöse, er erscheint als zentrale Figur der Affäre. Er soll vom FIFA-Präsidenten Joseph S. Blatter die Zusage bekommen haben, das OK werde im Gegenzug für die Zahlung von umgerechnet 6,7 Millionen Euro später 170 Millionen vom Weltverband als "Organisationszuschuss" erhalten. Niersbach stützte sich in seinen Ausführungen am Donnerstag ausschließlich auf ein persönliches Gespräch am Dienstag in Salzburg, also auf Beckenbauers Gedächtnis.
Hat das Organisationskomitee sieben Millionen Euro beantragt?
Das Organisationskomitee zur Fußball-WM 2006 hat im Jahr 2005 eine Umschichtung von Finanzmitteln in Höhe von sieben Millionen Euro im Kulturbudget angestrebt. Das bestätigte das Bundesinnenministerium auf SID-Anfrage am Donnerstag. Das OK habe in einer Vorbereitungsunterlage für die Sitzung des WM-Präsidialausschusses am 8. April 2005 um die Summe gebeten, da es eine Kostensteigerung für die geplante FIFA-Auftaktgala in Berlin gegeben habe.
Der Präsidialausschuss war ein weiteres Gremium innerhalb der deutschen WM-Organisation neben OK und Aufsichtsrat. Das Protokoll dieser Sitzung weist darauf hin, dass es für den Kulturbereich vom Bund ein Gesamtbudget in Höhe von zwölf Millionen Euro gegeben habe, das für Projekte in den zwölf WM-Städten festgelegt war. Das OK war jedoch offenbar der Meinung, dass für das Programm nicht so viel Geld bereit gestellt werden müsste. Ein zustimmender Beschluss soll in der Sitzung im April 2005 laut BMI allerdings nicht gefasst worden sein. Ebenfalls lasse sich im Nachgang die tatsächliche Zahlung nicht nachvollziehen, hieß es am Donnerstag.