Wir Wunderkinder

Früher, da waren deutsche Teams in den Augen der anderen das notwendige Übel eines Turniers. Bei der WM 2010, nach dem 4:1 von Jogis Jungs gegen England, staunt die ganze Welt über diese begeisternd aufspielende deutsche Nationalmannschaft
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Miroslav Klose (r) und Thomas Müller
dpa Miroslav Klose (r) und Thomas Müller

CENTURION - Früher, da waren deutsche Teams in den Augen der anderen das notwendige Übel eines Turniers. Bei der WM 2010, nach dem 4:1 von Jogis Jungs gegen England, staunt die ganze Welt über diese begeisternd aufspielende deutsche Nationalmannschaft

31 Stunden Freizeit dürfen die Nationalspieler seit Montagnachmittag 16 Uhr genießen. Da muss man sich was einfallen lassen, gerade wenn – wie bei Lukas Podolski – die Verlobte Monika wegen des gemeinsamen Sohnes Louis (2) nicht nach Südafrika reisen konnte. „Morgen kommt ein Frisör ins Hotel. Ich weiß noch nicht, ob ich mir den Gomez mache oder den Badstuber", sagte Podi und meinte zu einem Reporter: „Kannst ja mitkommen."

Es wurde viel gelacht im deutschen Team. Ob direkt nach dem berauschenden 4:1 im WM-Achtelfinale gegen England in Bloemfontein oder am Tag danach im Mannschaftsquartier in Centurion. Joachim Löw hat den Spielern frei gegeben, die Frauen und Freundinnen dürfen ins Hotel, Ausflüge werden organisiert, Restaurant-Besuche angeleiert. Die anfängliche Skepsis in Sicherheitsfragen ist gewichen, die Spieler dürfen sich frei bewegen, müssen erst am Dienstagabend um 23 Uhr wieder im Hotel sein. Kleine Safari-Trips oder Shopping-Touren in Johannesburg mit den Liebsten sind angesagt. Und wer alleine ist? „Da meine Frau nicht da sein kann, muss ich das kuscheln mit dem Harald (Pressesprecher Stenger, d.Red.) machen“, meinte Miroslav Klose und fügte als der Saal in großes Gelächter ausbrach noch rasch hinzu als wolle er eine Falschmeldung verbreiten: „Aber da kann ich mir schon schönere Sachen vorstellen.“

Die Spaßmacher hatten Spaß, sind euphorisch, das dürfen sie auch mal sein. Jene Männer, teils mit Bubi-Gesichtern, die über 8000 km entfernt, in der Heimat eine Welle der Freude, Begeisterung und Euphorie auslösen, die das Sommermärchen 2006 zu übertrumpfen beginnt. „Ich denke, wir haben etwas Historisches geschaffen", sagte Podolski, „wie ich gehört habe, soll in Deutschland ja die Hölle los sein."

Nicht nur da. Die Heimat staunt, das Ausland wundert sich. Und ausgerechnet „The Sun", ansonsten das aggressivste Blatt der britischen Blätter registrierte: „Es war Jungs gegen Männer. Und die Jungs haben gewonnen!“ Der italienische „Corriere della Sera" verneigte sich: „Capello und seine Nationalmannschaft verlassen die Szene nach der Demütigung durch das jüngste und frechste Deutschland der Geschichte, eine Mannschaft aus frischen Talenten, die den schönsten Fußball dieser WM spielen.“

Die Wunderkinder 2010 - sie treten den Fußball ihrer Vorfahren unter Anleitung von Bundestrainer Joachim Löw mit Füßen, und das auch noch elegant: mit der Ferse und per Doppelpass. Rotzfrech werfen die Özils, Müllers, Neuers, Khediras und Co die alten Klischees des deutschen Fußballs auf den Müllhaufen der Geschichte. Stets hatten die Gegner Angst vor den Kraftprotzen aus dem Land der Teutonen, die den Gegner niederwalzen oder in den letzten Minuten mit ihrer stetigen Unverwüstlichkeit knacken. Es war einmal. Aus Kraftmeierkickern sind echte Schönspieler geworden, Zauberfußballer.

Während deutsche Teams in den Augen der Welt früher immer das notwendige Übel des Turniers waren und sich wie 1982, 1986 oder 2002 ins Finale rumpelten - wie der ältere, ungeliebte, aber meist stärkere Bruder - sind sie nun die Vitamine der WM. "Nach drei bleiernen Wochen haben die deutsche Nationalelf und ein Typ namens Müller die WM endlich groß gemacht", verbeugte sich Spaniens „El Mundo“, und „The Herald" aus dem Gastgeberland Südafrika kommentierte „Deutschlands Wunderkinder waren für Englands alte Männer einfach zu viel!"

Argentinien ist die nächste Hürde. "Was Jogi Löw da geformt hat, kann sich sehen lassen", meinte Franz Beckenbauer, "sie sind ja noch jung, aber das kann ein großes Team werden." Sind sie schon.

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