»Wir stellen uns auf die Hinterbeine – und kriegen die Watschn«
Am Mittwoch steigt er wieder, der Klassiker Österreich gegen Deutschland. Legende Hans Krankl im AZ-Interview über Cordoba und die EM-Chancen seines Heimatlandes: »Österreich wird’s ned«
AZ: Jürgen Sparwasser, der als Stürmer der DDR durch sein Tor bei der WM 1974 den „Westen“ bezwang, hat einmal gesagt: Schreibt Ort und Datum auf meinen Grabstein, dann weiß jeder, wer da liegt. Was soll denn auf Ihrem stehen, einfach Cordoba?
HANS KRANKL: Des will ich gar ned wissen. Ich wünsche dem Sparwasser ein sehr langes Leben und mir auch.
Der Name Krankl aber steht für Cordoba.
Ich stand gegen Düsseldorf mit Barcelona im Europapokalfinale und wir sind Europacupsieger geworden. Ich hab ein Tor geschossen. Oft hab ich gegen Deutschland gespielt, leider nur einmal gewonnen. Und ich war vier Monate Trainer von Fortuna Köln. Cordoba war etwas Besonderes, aber die Leute kennen mich auch so.
Die Videokassette mit ihren Toren aber schauen Sie sich schon ab und zu an?
Schon lang nimmer. Ich weiß wie die Tore gefallen sind, ich hab sie ja geschossen. Selbst die Deutschen haben registriert, dass es zwei sehr schöne Treffer waren. Aber man soll aus dem Ganzen keine allzu große Sache machen. Es war nur ein besonderer Sieg bei einer WM.
Ganz Österreich stand Kopf. Das Team hat sicher gefeiert in der Nacht danach?
Besonders kann’s nicht gewesen sein. Wissen Sie warum?
Ein rauschendes Fest gab's keins
Nein.
Ich kann mich nicht mehr erinnern. Gefeiert haben wir bestimmt ein bisserl, aber ein rauschendes Fest gab es keins. Wir ham uns gefreut, weil wir gewonnen haben, zwei Tage später sind wir heim geflogen.
Wie reagierten die deutschen Spieler?
Der Rüssmann war völlig fertig, dem liefen die Tränen runter. Da hab ich ihn getröstet, ich hab’ mit ihm gesprochen und gesagt, er soll sich nichts draus machen. Wir haben Leibchen getauscht, aber er war zerstört. Die ham alle ihn zum Sündenbock gemacht, dabei war er einer der Besten. Mit Hansi Müller hab ich geredet, der war damals nicht gut drauf, weil es im Team nicht gestimmt hat und er nicht so beliebt war.
Bei den Deutschen rauschte es im Karton
Sie meinen die Deutschen haben gestritten?
Wir erkannten klar, da stimmt was nicht, da rauscht es im Karton bei denen. Harmonie und Freundschaft waren nicht so ausgeprägt.
Haben Sie Ihre direkten Gegenspieler Vogts, Maier und Rüssmann später wieder getroffen?
Rüssmann hat mich besucht als ich mit Barcelona gegen Köln im Europapokal gespielt hab, den Berti hab ich getroffen als ich Österreichs Teamchef war. Wir haben in Schottland gegen seine Mannschaft gespielt. Davor haben wir uns ein paar Mal bei Tagungen gesehen.
Und Sie haben über Cordoba geredet?
Na, warum denn? Ich mag die beiden. Vor allem Berti, weil er in Deutschland als Trainer nicht so anerkannt wurde, wie er das verdient hätte.
Andere konnten die Niederlage nicht so wegstecken. Eine deutsche Zeitung hat Ihre Telefonnummer veröffentlicht. Sie bekamen Schmähanrufe?
Viele positive Anrufe aus Deutschland
Irgendwo ist meine Telefonnummer bekannt gegeben worden. Keine Ahnung wie das passiert ist. Aber Sie werden sich wundern: Es gab viele positive Anrufe aus Deutschland. Viele haben mir gratuliert. Einer hat sich bedankt, dass wir die geschlagen haben, er meinte, das war kein gutes deutsches Team.
Keine Beschimpfungen?
Gott, ein paar, aber ich hab dann meine Nummer gewechselt. Außerdem ist das erste Tor zum „Tor des Monats“ gewählt worden. Bei euch in Deutschland. Heute noch verneig’ ich mich dankbar und zieh’ den Hut.
Nach Cordoba kam Barcelona
Hat Cordoba Ihr Leben verändert?
Ich bin von Rapid zu einem der besten Klubs der Welt gewechselt, dem FC Barcelona. Das war nicht nur durch diese Tore, aber auch. Tore hab ich vorher schon gemacht. Gegen Spanien und Schweden. Da wollte mich Valencia, nach Cordoba kam dann Barcelona.
Wie sind Sie denn in Österreich empfangen worden?
Fast untypisch österreichisch: Tausende Menschen waren auf dem Flugplatz und haben uns empfangen.
Ein Stück Geschichte für Österreich
Hat Ihnen das Tor Glück gebracht?
Bitte, es waren zwei! Beide ein Stück Sportgeschichte und Fußballgeschichte für Österreich. Das ist schön, aber auch nicht mehr als das.
Bis heute aber, so hat man den Eindruck, lebt Österreich von diesem Sieg und Sie tragen die Last allein.
Es gibt keine Last. Wir haben einmal in 50 Jahren gegen unseren großen Bruder gewonnen, das war’s. Das ist immer wieder die Geschichte David gegen Goliath, Klein gegen Groß. Wir stellen uns jedes Mal auf die Hinterbeine und bekommen eine Watschn. Aber ich werd’ mir das am 6. Februar in Wien anschauen.
Im Augenblick ist mir nach Pause
Wie steht es mit Ihrer Zukunft als Trainer?
Im Augenblick ist mir nach Pause. Ich möchte vor allem nicht in Österreich Trainer sein, im Ausland vielleicht. Ich schau mir interessante Angebote gerne an. Nachdem ich in Österreich Teamchef war, will ich dort vorerst nicht mehr arbeiten.
Teamchef in Österreich scheint kein besonders freudvoller Job zu sein?
Vier Jahre reichen wirklich. Ich hatte zwei Qualifikationen zu spielen, zweimal gegen sehr starke Gegner, wir haben es zweimal nicht geschafft. Damals kamen viele junge Spieler ins Team und am Ende hat sich der Verband gegen mich entschieden.
Wir sind krasser Außenseiter
Und die EM 2008, sieht es da wieder finster aus?
Wir sind krasser Außenseiter, keine Frage. Aber jede Mannschaft hat eine Chance, auch gegen solche Schwergewichte wie Deutschland und Polen oder Kroatien.
Wer wird Europameister?
Spanien, Italien, Frankreich, Portugal und Deutschland – suchen Sie sich einen aus. Österreich wird’s ned, des steht leider heut’ scho fest.
Interview: Oliver Trust
- Themen:
- Europameister
- FC Barcelona