"Wir binden dich an einen Pfahl in der Nordsee"

René Schnitzler, früherer Fußball-Profi beim FC St. Pauli,  verrät, wie er in den Sumpf der Wettmafia geriet – und wie es weitergehen soll
von  Julian Reusch

René Schnitzler verrät, wie er in den Sumpf der Wettmafia geriet – und wie es weitergehen soll

München - Der größte Wettskandal der Fußball-Geschichte hat die Glaubwürdigkeit des Sports erschüttert. Doch wie konnte es so weit kommen? Einer, der das Millieu kennt, war jetzt bei Markus Lanz zu Gast. René Schnitzler (27), einst Profi beim FC St. Pauli, geriet selbst in den Sumpf der Wettmafia. In der Talkshow sprach Schnitzler offen über seine Spielsucht – und darüber, wie die Treffen mit dem Wettpaten abliefen.

In schwarzem Hemd und dunkler Jeans saß er entspannt in seinem Stuhl, er wirkte nicht nervös. Schnitzler sieht sich selbst aber nicht als Schwerkriminellen. „Ich bin kein Mörder oder Vergewaltiger”, sagte Schnitzler. Die Fragen beantwortete er emotionslos, verzog kaum eine Miene. Er sprach über ….

…seine Zukunft: Bald muss Schnitzler sich vor Gericht verantworten. Im September läuft seine zweieinhalbjährige Sperre beim DFB ab. Er hat in der Zeit knapp 40 Kilogramm zugenommen, will wieder fit werden. Ob er jemals wieder Profi wird? „In Deutschland wird es schwer. Wenn überhaupt, dann im Ausland”, sagt Schnitzler. Ansonsten wird er „bei Null anfangen und eine Ausbildung machen.”
Seine Spielsucht will er in den Griff bekommen und wartet auf einen Therapieplatz. Aktuell nimmt er an Motivationsgruppen teil: „Jeder Tag ist ein Kampf. Meistens gewinne ich ihn, manchmal verliere ich ihn aber noch”, sagt Schnitzler, der nach eigenen Angaben durchschnittlich noch zwei Mal im Monat zockt.

…sein Schicksal: Schon mit 18 Jahren begann Schnitzler das Zocken. Casinos, Pokerspiele, Wetten – insgesamt verlor er durch illegales Glücksspiel rund 1,5 Millionen Euro. Er verdiente als Profi bis zu 20 000 Euro im Monat, das manchmal nicht einmal zwei Tage auf dem Konto blieb. „Ich hatte eigentlich immer Geldprobleme”, sagt Schnitzler. In einem dubiosen Hinterzimmer wurde er von einem Wettpaten angesprochen, ob der FC St. Pauli das nächste Spiel verlieren würde. Er bejahte, kassierte Geld und wurde ein weiterer Mosaikstein im System.

…die Abläufe: Seine Voraussagungen stimmten zunächst, St. Pauli verlor zwei Spiele in Folge und der Stürmer kassierte weiter Geld, insgesamt 100 000 Euro. „Ich habe aber nie ein Spiel verschoben oder einen anderen Spieler angesprochen. Ich wollte einfach nur das Geld”, beteuert Schnitzler, der bei beiden Partien verletzt ausfiel. Nachdem die nächsten zwei Partien nicht wie gewünscht verliefen, wurde sein Wettpate sauer.

Beim letzten Treffen stand der heute 27-Jährige sieben bis acht Leuten gegenüber. Er sollte dafür sorgen, dass das nächste Spiel wunschgemäß ausgeht. „Sonst binden wir dich bei Ebbe an einen Pfahl in die Nordsee und warten, bis die Flut kommt”, soll einer der Anwesenden gesagt haben. Danach wechselte der Fußballer seine Handynummer und gab seinen Eltern einen Zettel mit allen Infos zu den Personen — falls ihm etwas passieren sollte. Er hat nie wieder etwas von der Mafia gehört: „Mein Glück war wohl, dass zu dieser Zeit die ersten Verhaftungen im Wettskandal stattfanden und die dadurch abgeschreckt wurden.” 

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