Winnie Schäfer: "Deutschland bleibt überlegen"

Vor dem Spiel gegen Deutschland spricht Winni Schäfer über den Afrikameister und den Tod vonFoé 2003: "Mein schlimmster Moment".
Julian Buhl |
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Winnie Schäfer trainierte Kamerun von 2001 bis 2004.
dpa Winnie Schäfer trainierte Kamerun von 2001 bis 2004.

Wenn am Sonntag der aktuelle Weltmeister auf den amtierenden Afrika-Meister spielt, wird Winnie Schäfer auch vor dem Fernseher sitzen. Schäfer war Anfang der 2000er-Jahre Nationaltrainer Kameruns. Ein Gespräch über die Chancen der Deutschen und die turbulenten Tage beim Confed Cup 2001 mit der damals goldenen Generation um Samuel Eto'o, Song und Co.

AZ: Herr Schäfer, am Sonntag trifft Deutschland beim Confed Cup auf Kamerun. Welche Erwartungen haben Sie als deren Ex-Nationalcoach an die "unzähmbaren Löwen"?
WINNI SCHÄFER: Kamerun hat sich nach einer langen, sehr langen Durststrecke wieder gefangen und spielt im Moment auf hohem Niveau. Interessant ist, dass es keine großen Stars gibt, nicht wie bei uns damals. Aber der Zusammenhalt ist sehr gut und man hat wieder zu der Disziplin gefunden, die notwendig ist, um erfolgreich zu sein.

Wem drücken Sie die Daumen?
Als Profi drücke ich niemandem die Daumen, sondern schaue das Spiel mit großem Interesse und eher neutral.

Trauen Sie Kamerun zu, die deutsche Mannschaft zu schlagen?
Kamerun kann gewinnen, wenn man sehr konzentriert spielt. Die deutsche Mannschaft hat einige Ausfälle, experimentiert etwas, vielleicht nicht ideal für die Zuschauer, aber notwendig und sicher eine kluge Entscheidung, während Kamerun das Turnier sehr ernst nimmt. Eventuell macht das den Unterschied, aber ich glaube nicht daran. Deutschland bleibt wahrscheinlich am Ende technisch und taktisch überlegen.

Kann das aktuelle Team Kameruns in die großen Fußstapfen der goldenen Generation um Eto'o, Song und Co. treten?
Es wird immer schwieriger und ich fürchte, die Euphorie über den Afrika Cup täuscht etwas über die Probleme hinweg. Die Kluft zwischen dem Niveau der Ausbildung in Europa und Afrika ist noch größer geworden und es wird immer dringender, die nötigen Strukturen zu schaffen, langfristig zu planen. Ich habe dem Verband damals langfristige Konzepte ans Herz gelegt und immer darauf hingearbeitet, diese auch umgesetzt zu wissen, leider fehlte da der Wille. Kamerun war ein Exempel für eines der größten Probleme des afrikanischen Fußballs. Man bildete die vielen, vielen Talente nicht vor Ort aus, sondern ließ zu, dass sie im Dutzend das Land verließen und dann häufig leider nicht die Unterstützung bekamen, die nötig gewesen wäre. Eine traurige Tradition, die viel Leid produzierte. In diesen Tagen gibt es mehr Fußball-Schulen vor Ort, aber die Bedingungen sind nicht immer ideal. Die Hintermänner häufig eher fragwürdig. Der wachsende Fußballmarkt in Asien kommt nun auch noch hinzu, sie finden heute zum Beispiel in Thailand junge afrikanische Spieler, die sich in einer europäischen Akademie ganz herausragend entwickeln könnten, aber für den schnellen Gewinn an thailändische Vereine vermittelt wurden.

Sie trainierten diese Mannschaft von 2001 bis 2004. Welche Bedeutung hat die Zeit als Nationalcoach Kameruns in Ihrer Trainerkarriere und Ihrem Leben?
Die Erfahrung war ganz außergewöhnlich. Großartig und sehr lehrreich. Die Spieler waren nicht nur sehr talentiert, sondern auch schlicht tolle Menschen. Wir hatten eine großartige Mannschaft, eine tolle Moral und waren taktisch auf sehr hohem Niveau, was wir dann ja auch im Confed Cup unter Beweis stellen konnten. Unser aller harte Arbeit wurde dann leider durch das Verhalten der Föderation zerstört, als sich die Mannschaft genötigt sah, die WM in Japan und Südkorea zunächst zu boykottieren. Man schuldete den Spielern viel, viel Geld und das forderten sie völlig gerechtfertigt ein. Dabei ging es nicht um Gier, nicht einmal so sehr um das Geld an sich, sondern um Respekt, denn jedem Spieler war klar, wo die großen Summen, die Kamerun damals durch Sponsoren und unseren Erfolg erhalten hatte, gelandet waren. Eine Situation, die ich immer wieder erlebte, zuletzt in Jamaika. Im Grunde hatten wir eine hochpolitische Situation, über die leider von den Medien nicht im richtigen Maße berichtet wurde. Mit beinahe einwöchiger Verspätung kamen wir dann schließlich nach Japan und konnten uns nicht mehr in die Turnierverfassung bringen, die nötig gewesen wäre.

Als Afrikameister von 2002 sorgten Sie sportlich damals beim Confed Cup 2003 für Furore, schlugen den amtierenden Weltmeister Brasilien und mussten sich erst im Finale Frankreich geschlagen geben.
Die Mannschaft war hochmotiviert und wir waren sicher auf dem Höhepunkt unserer Entwicklung. Unsere Taktik gegen Brasilien ging perfekt auf und von diesem Moment an war alles möglich. Die Tatsache, dass so viele Kameruner in Frankreich lebten und die Mannschaft unterstützten, beflügelte uns dann natürlich noch mehr. Es ist aus sportlicher Sicht tragisch, dass dieser Höhepunkt auf so furchtbare Weise überschattet wurde.

Durch den Tod Ihres Spielers Marc-Vivien Foé, der im Halbfinale gegen Kolumbien kollabierte und aufgrund plötzlichen Herzversagens im Alter von 28 Jahren starb.
Ohne Zweifel war dies der schlimmste Moment meiner Karriere. Marc war nicht nur einer der besten Spieler, mit dem ich je zusammenarbeiten durfte, sondern auch ein tiefgründiger, unglaublich liebenswerter und kollegialer Mann. Er war wirklich das Herz der Mannschaft, der große Bruder, Respektsperson und Freund. Vergessen kann man so etwas nicht. Mich bewegt dieses Thema noch heute, weil es nach wie vor den Finger in eine offene Wunde legt. Die medizinische Versorgung ist leider, leider nicht überall so hervorragend wie in Deutschland. Es wäre sehr wichtig, wenn die Fifa da Geld in die Hand nehmen würde und bereits in der Fußballjugend, weltweit mehr bewegen würde. Uli Hoeneß sprach vor einiger Zeit in einem anderen Kontext - und er hat recht. Es wäre sicherlich sehr wichtig, wenn die Fifa da Geld in die Hand nehmen würde und bereits in der Fußballjugend weltweit mehr bewegen würde. Marc ist leider nicht der einzige nicht Spieler, der viel zu früh verstarb und eventuell hätte man in manchen Fällen ein Leben retten können, hätte man eine flächendeckende, bessere medizinische Betreuung für Jugendspieler.

Nur drei Tage später traten Sie damals dennoch mit Kamerun im Finale an. Was gab damals den Ausschlag, trotzdem zu spielen?
Für uns war das Endspiel nicht mehr wichtig. Wir waren am Boden zerstört und dachten überhaupt nicht an das Spiel. Die Fifa, Sepp Blatter allen voran, unterstütze uns wirklich sehr gut. Schließlich kam Marcs Ehefrau auf mich zu, wir unterhielten uns und sie erklärte mir, Marc würde wollen, dass wir spielen, für ihn, für seine Familie, für Kamerun und die vielen Fans. Beide Mannschaften, Frankreich und Kamerun fanden auf eine Art und Weise zusammen, die ich so nie mehr erlebte, die französischen Spieler waren ebenfalls sehr mitgenommen und das Spiel selbst hatte keine sportliche Bedeutung mehr. Es war ein inniges, sehr ruhiges Freundschaftsspiel im besten Sinne des Wortes. Der Schiedsrichter musste glaube ich nicht einmal pfeifen und nach dem Tor konnten sie sehen, wie sich Rigobert den Ball schnappte, gratulierte und… ja, wir waren froh, als es vorüber war.

Haben Sie noch Kontakt zu Foes Familie, ehemaligen Spielern oder Funktionären aus Kamerun?
Zu Spielern ja, die meisten Funktionäre sind entweder nicht mehr da oder wir sind nicht im Besten auseinandergegangen, aber mit einigen Kollegen habe ich noch Kontakt.

Am Montag, den 26. Juni, jährt sich Foes Todestag. Seit 14 Jahren ist Kamerun nun erstmals wieder beim Confed Cup dabei. Was bedeutet das für dieses Land?
In Kamerun wird die Mannschaft von damals noch immer in Ehren gehalten. Fußball hat dort generell eine politische und soziale Bedeutung, die man sich in Europa nur sehr schwer vorstellen kann. Natürlich ist man stolz und hoffnungsvoll und auf die ein oder andere Weise wird der momentane Erfolg auf viele, viele Bereiche des alltäglichen und politischen Lebens dort Einfluss haben. Aber ich denke, es ist auch ein gewisses Misstrauen da und man wartet ab, ob man nun auch dazu im Stande ist, den nächsten Schritt zu machen.

Wie sehen Ihre sportlichen Pläne und Ziele für die Zukunft aus und wann sehen wir Sie wieder an der Seitenlinie?
Es gibt immer Angebote, aber die wollen heute mehr als je zuvor gut geprüft sein. Asien und Afrika sind Optionen, eventuell zur Abwechslung aber auch wieder Europa. Ich kann heute noch nicht sagen für welchen Weg ich mich entscheiden werde, aber ich kann versichern, dass ich recht bald wieder an der Seitenlinie stehen werde.

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