Warnung vor Aktionismus - Rugby vor Ghana-Kampf

Erasmia (dpa) - Siegen oder fliegen - Joachim Löw und seine umschwärmte «Boy-Group» spüren immer mehr die Anspannung vor dem K.o.-Spiel gegen Ghana. Die Rückflug-Tickets sind vorsichtshalber reserviert, aber keiner im DFB-Tross will ans frühe Kofferpacken denken.
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Cacau (l) und Arne Friedrich bei der Pressekonferenz des deutschen Teams.
dpa Cacau (l) und Arne Friedrich bei der Pressekonferenz des deutschen Teams.

Erasmia (dpa) - Siegen oder fliegen - Joachim Löw und seine umschwärmte «Boy-Group» spüren immer mehr die Anspannung vor dem K.o.-Spiel gegen Ghana. Die Rückflug-Tickets sind vorsichtshalber reserviert, aber keiner im DFB-Tross will ans frühe Kofferpacken denken.

«Wir wissen, dass eine große Blamage drohen kann, aber diesen Gedanken muss man ausklammern», beschwor Abwehrspieler Arne Friedrich vor seinem 75. Länderspiel. Mit möglichen Konsequenzen bis hin zu einem abrupten Ende der Amtszeit von Bundestrainer Löw mag sich niemand im Vorfeld beschäftigen. «Das Spiel ist zu wichtig, um auf diese Kleinigkeiten einzugehen», erklärte Hoffnungsträger Cacau allgemein zu allen Nebenschauplätzen.

Trainingseinheiten, Teamsitzungen, Videoschulungen - mit einer Rund-um-die-Uhr-Vorbereitung will ein Ruhe ausstrahlender Löw sein junges Team optimal für die erste große «Drucksituation» bei der WM präparieren. Und der Fußball-Lehrer schaut in diesen Tagen besonders genau hin, welche Spieler er ins Fegefeuer schicken kann. «Im Training werde ich ein Gefühl entwickeln, wer in der Lage ist, dieses Spiel zu bestreiten.»

Beobachten wird Löw besonders den gegen Serbien überforderten Youngster Holger Badstuber, erwartet wird aber nur eine Änderung: Der bisherige Top-Joker Cacau dürfte als zentraler Angreifer für den gesperrten Miroslav Klose reinkommen. «Wenn ich die Möglichkeit bekomme, werde ich meine Stärken zeigen: Schnelligkeit, gute Ballbehandlung, Torschuss», verkündete der 29-Jährige selbstbewusst. Radikale Umbaumaßnahmen seien nicht sinnvoll, merkte Friedrich an: «Ich denke nicht, dass man in Aktionismus verfallen und alles umstellen muss. Wir müssen die Fehler abstellen.»

Nur ein Sieg garantiert das Weiterkommen - ein «schwarzer» 23. Juni soll sich in Südafrika nicht wiederholen: Auf den Tag genau vor sechs Jahren schied die deutsche Mannschaft am 23. Juni 2004 bei der EM in Portugal durch ein 1:2 gegen Tschechien blamabel in der Vorrunde aus - noch in der Nacht trat Rudi Völler damals zurück.

Ähnliche Szenarien werden auch jetzt konstruiert. Nach einem deutschen Vorrunden-K.o., den es bislang nur bei EM-Turnieren gab, ist noch kein Nationaltrainer im Amt verblieben; nicht Jupp Derwall 1984, nicht Erich Ribbeck 2000 und auch nicht Völler 2004.

Die «Bild»-Zeitung spekulierte am Montag bereits mit Bezug auf einen engen Vertrauten Löws, dass der 50-Jährige bei einer Pleite gegen Ghana in Völler-Art seinen Hut nehmen würde. Seine Spieler würden das bedauern, aktuell spielten solche Szenarien aber keine Rolle. «Keiner denkt daran, dieses Spiel für den Trainer zu bestreiten», sagte Friedrich und ergänzte: «Keiner weiß, wie es weitergeht mit dem Trainer, selbst wenn wir Weltmeister werden.»

Löw erweckt in diesen schwierigen Tagen nicht den Eindruck, dass er nach einem unglücklichen System-Ausfall gegen Serbien (0:1) an seiner Mission zweifeln würde. «Drucksituationen bei einer WM sind nicht zu vermeiden», betont der Bundestrainer wieder und wieder: «Es gibt immer Situationen in einem Turnier, wo man vor einem K.o.-Spiel steht. Das ist nicht nur so im Achtelfinale und im Viertelfinale.»

Was nach Ghana kommt, der Heimflug oder das Achtelfinale gegen Slowenien, England, die USA oder Algerien, wird weggeschoben. «Der Fokus ist voll auf Mittwoch ausgerichtet», sagte Teammanager Oliver Bierhoff. Löw konzentriert sich auf die «ganz wichtigen Trainingseinheiten». Alle 23 Akteure sind fit und stimmten sich bei der Übungseinheit mit Rugby auf den harten Kampf gegen Ghana ein. «Wir werden Löwen sehen, die deutschen Löwen», sagte Bierhoff zum komplett zusehenden DFB-Vorstand.

In Abstimmung mit dem Mannschaftsrat erspart Löw seinen Spielern rund zwei Stunden Busfahrt, indem er darauf verzichtet, das Abschlusstraining in «Soccer City» abzuhalten. Teampsychologe Hans-Dieter Hermann hat beobachtet, dass bei den Übungseinheiten «nochmal fünf Prozent draufkommen». Eine leistungshemmende «Nervosität» habe er beim Team nicht feststellen können.

Die Marschroute im Soccer-City-Stadion hat Löw bereits klar vorgegeben: «Wir versuchen, gegen Ghana zu agieren und dominant zu sein», kündigte er an. «Wir können versprechen, dass wir Vollgas geben werden», übermittelte derweil Friedrich an die Fans in der =Heimat. Man spüre die Unterstützung, berichtete Bierhoff: «Ganz Deutschland fiebert mit, nicht nur, weil Deutschland weiterkommen muss, sondern jeder das dieser jungen Mannschaft wünscht.»

Keine Energie will man im deutschen Lager auf das brisante Thema Kevin-Prince Boateng verschwenden. Der Halbbruder von DFB-Verteidiger Jérome Boateng hatte Michael Ballack zum WM-Opfer getreten. «Man sollte solche Dinge nicht zu hochschaukeln», empfahl Friedrich, der mit beiden Boatengs bei Hertha BSC zusammenspielte: «Kevin ist ein wichtiger Spieler von Ghana. Ich glaube aber nicht, dass es zu Streitereien zwischen den beiden Brüdern kommt.»

Die voraussichtliche deutsche Aufstellung: Neuer - Lahm, Mertesacker, Friedrich, Badstuber - Khedira, Schweinsteiger - Müller, Özil, Podolski - Cacau

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