Vor der Vollendung: DFB-Frauen brennen auf EM-Finale gegen England

Die DFB-Frauen stehen nach dem 2:1-Sieg über Frankreich im EM-Finale - da geht es am Sonntag gegen Gastgeber England. "Wir spielen nicht nur gegen England, sondern gegen die ganze Nation."
von  Victoria Kunzmann
Kapitänin, Torjägerin, Matchwinnerin - und emotionale Anführerin: Doppeltorschützin Alexandra Popp - hier mit Giulia Gwinn (l.) und Sydney Lohmann (oben) - beim 2:1-Sieg im EM-Halbfinale gegen Frankreich.
Kapitänin, Torjägerin, Matchwinnerin - und emotionale Anführerin: Doppeltorschützin Alexandra Popp - hier mit Giulia Gwinn (l.) und Sydney Lohmann (oben) - beim 2:1-Sieg im EM-Halbfinale gegen Frankreich. © picture alliance/dpa/PA Wire

London - Der Abpfiff war gerade erst ein paar Minuten Geschichte - wunderbare Geschichte -, da versammelten sich alle deutsche Spielerinnen zum obligatorischen Siegerfoto. Die hintere Reihe saß, die vordere stand, nur eine fehlte. Die DFB-Elf wartete auf ihre wichtigste Frau, auf Alexandra Popp. Pressesprecherin Annette Seitz winkte die Mädels herüber und deutete auf sie. Wenn "Poppi", die Kapitänin, die Matchwinnerin, nicht zur Mannschaft kommt, dann kommt die Mannschaft eben zu ihr, ganz einfach.

Die Zweifach-Torschützin bekam gerade die Trophäe als Spielerin der Partie überreicht, als gleich 21 Spielerinnen die kleine Zeremonie crashten - und Popp umarmten und herzten. Ein Sieg für sie, eine Feier für sie.

Lena Oberdorf: Alex Popp ist "ein Biest da vorne drin"

Tatsächlich hatte Alexandra Popp die Französinnen fast im Alleingang niedergerungen. Die 31-Jährige traf kurz vor der Pause nach präziser Vorarbeit von Jule Brand und Svenja Huth aus der Mitte heraus mit links unter die Latte (40.) - 1:0!

Nach dem schnellen Ausgleich für Frankreich, bei dem die deutsche Torhüterin Merle Frohms den Ball unglücklich ins eigene Tor prallen ließ, war es Mitte der zweiten Halbzeit erneut "Poppi", wie ihre Mitspielerinnen sie nennen, die zuschlug. Abermals im "Poppi-Style": Sie schraubte sich über ihre Gegenspielerinnen in die Luft und wuchtete den Ball per Kopf ins Netz (76.). "Ein Biest da vorne drin", beschrieb es Kollegin Lena Oberdorf.

Noch nie ist es einer Spielerin in einer EM gelungen, fünf Tore oder mehr in fünf aufeinanderfolgenden Spielen zu schießen. Bis jetzt, bis zu Popp. In der Torschützenliste zog sie zudem mit der Engländerin Beth Mead gleich. Am Sonntag im Traumfinale kommt es also auch zum Duell der Top-Torjägerinnen.

Alexandra Popp war eigentlich als Jokerin angereist

"Wir haben wieder eine Wahnsinnspartie gespielt", sagte Popp danach. "Wir sind so unfassbar glücklich. Kein Schwein hat mit uns gerechnet, und wir stehen jetzt im Finale gegen England vor 90.000. Ganz ehrlich: Etwas Schöneres gibt es nicht."

Für die Kapitänin ist es mehr als Genugtuung. Nach vielen Verletzungen und Rückschlägen - ihr Comeback in der Nationalmannschaft hat sie erst im April gegeben - trumpft sie bei ihrer allerersten EM auf.

Sie war eigentlich als Jokerin für Lea Schüller angereist und hat sich als unverzichtbar entpuppt. Mit Entschlossenheit und Einheit hielt das Team von Martina Voss-Tecklenburg gegen schnelle und körperlich starke Französinnen dagegen.

"Wir haben dieses Spiel gewonnen, weil jede bereit war, die andere zu pushen, Vertrauen zu geben, die Dinge zu feiern in alle Richtungen. Es war ein großartiger Teamerfolg auf allen Ebenen", schwärmte Voss-Tecklenburg. Die Mannschaft steht deshalb "verdient im Finale". Stimmt!

DFB-Elf vor schwerer Aufgabe: Engländerinnen seit 19 Spielen ungeschlagen

Im Endspiel trifft die DFB-Auswahl auf die Gastgeberinnen, die eine Extraportion Motivation mitbringen. Im ersten Halbfinale schoss England Schweden mit 4:0 ab. In der Gruppenphase setzten sie sich gegen Norwegen mit 8:0 und gegen Nordirland mit 5:0 durch. England ist seit 19 Spielen ungeschlagen.

"Es wird ein großartiges Fußballfest", sagte die MVT genannt Voss-Tecklenburg und sprach von einem "Klassiker im Fußball. Was England in diesem Turnier gezeigt hat, ist natürlich brutal gut. Sie strotzen vor Selbstbewusstsein." Doch Deutschland will sein glänzendes Turnier vollenden und sich den neunten EM-Titel holen. Popp & Co. vor der Vollendung.

"Wir haben so einen Bock auf das Finale", sagte Popp - und bei ihr klingt das nach dem bärenstarken Auftritt schon fast wie eine Drohung. Bevor die Wunschpartie gegen die Engländerinnen am Sonntag (18 Uhr, live ARD, DAZN) ansteht, feiert sich die DFB-Elf erst einmal. "Ich glaube, es wird eine eher stille Feier", meinte die Bundestrainerin. "Heute sind alle echt kaputt."

EM-Finale am Sonntag: Auch Kanzler Olaf Scholz ist dabei

Für eine kleine Kabinenparty mit dem gemeinschaftlichen Lieblingslied "Cotton Eye Joe" wird es aber wohl noch gereicht haben.

Am Sonntag wird auch der Zeitenwenden-Ausrufer, Bundeskanzler Olaf Scholz, vor Ort sein. "Ich freue mich darauf, nach London zu fahren und das Team im Traumfinale gegen die Gastgeberinnen aus England im Wembley-Stadion zu unterstützen", twitterte Scholz.

Anzeige für den Anbieter X über den Consent-Anbieter verweigert

Auch für die deutschen Frauen, die als Außenseiter ins Turnier gestartet waren, ist es eine Zeitenwende. "Wenn ich Fan wäre, würde ich uns bei diesem Turnier nicht wiedererkennen", sagte Oberdorf: "Ich glaube, das ganze Stadion wird gegen uns sein. Wir spielen nicht nur gegen England, sondern gefühlt gegen die ganze Nation."

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.