Von Beckenbauer bis Gündogan: Wie schlugen sich Kimmichs Vorgänger als DFB-Kapitän?

Joshua Kimmichs Vorgänger als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft im AZ-Check: Von Beckenbauer über Kahn bis Gündogan.
von  Patrick Strasser
Neuer Kapitän der deutschen Nationalmannschaft: Joshua Kimmich
Neuer Kapitän der deutschen Nationalmannschaft: Joshua Kimmich © Daniel Karmann/dpa

Herzogenaurach – Bayern-Star Joshua Kimmich wird der 132. Spieler sein, der die Kapitänsbinde der Nationalmannschaft trägt. Seine Premiere als nun offiziell Auserwählter feiert der Bayern-Profi kommenden Samstag zum Auftakt der Nations-League-Gruppenphase gegen Ungarn. 17-Mal hatte er das so bedeutende Amt bereits zeitweise inne, weil der Spielführer im Laufe einer Partie ausgewechselt wurde oder Kimmich direkt als Stellvertreter auflief.

Mit dem im Januar verstorbenen Franz Beckenbauer beginnt dieser Rückblick, die Bilanz des Wirkens der jeweiligen Anführer im DFB-Kreis. Wie haben die Bosse mit der Binde agiert, was haben diese erreicht? Für den Trophäenschrank und neben dem Platz. Eine AZ-Zeitreise:

Franz Beckenbauer (50 Spiele als Kapitän, Turniere im Amt: EM 1972, WM 1974, EM 1976): Der gebürtige Münchner überstrahlte alles und jeden. Mit seiner Leichtigkeit, Fußball zu spielen und seiner daraus abgeleiteten positiven Arroganz war Beckenbauer der logische Anführer jener Zeit. Ein Visionär auf dem Platz, der von seinem Manager Robert Schwan, dem Visionär neben dem Platz, gelenkt wurde. "Der Franz" hatte das Sagen, Bundestrainer Helmut Schön (1964-'78) tolerierte sein Auftreten inklusive der Wutanfälle.

Berti Vogts trug schwer an Beckenbauers Erbe

Berti Vogts (20 - WM 1978): Der "Terrier" von Borussia Mönchengladbach musste als Kapitän die Schmach von Cordoba, das vorzeitige Aus des Titelverteidigers bei der WM 1978 in Argentinien verantworten. Danach trat Schön zurück, mit ihm sein Kapitän Vogts, dem die Bürde des Amtes als Kaiser-Nachfolger zu schaffen machte.

Bernard Dietz (19 - EM 1980): Der Abwehrspieler des MSV Duisburg agierte in seinen 53 Länderspielen meist als Linksverteidiger, krönte seine kurze DFB-Laufbahn (seit Herbst 1974) mit dem EM-Titel von Rom. Ein stiller, zugänglicher Zeitgenosse, der bestens mit Bundestrainer Jupp Derwall harmonierte.

Karl-Heinz Rummenigge (51 - WM 1982, EM 1984, WM 1986): Durch seine Zeit in Italien bei Inter Mailand wurde der vorherige Bayern-Profi zum Weltmann und Chef der Nationalelf - unter Derwall und ab Herbst 1984 unter Teamchef Beckenbauer. Der Stürmer war meinungsstark, aber glücklos als (jeweils im Turnier angeschlagener) Verlierer-Kapitän der Endspiele 1982 und 1986.

Lothar Matthäus: Stark unter Beckenbauer, geschwächt unter Vogts

Lothar Matthäus (75 - EM 1988, WM 1990, WM 1994): Galt in seiner Ära als stärkster, weil meinungsstarker Kapitän, vor allem in der Zeit als er unter Beckenbauer 1990 Weltmeister wurde. Unter Bundestrainer Vogts geschwächt, weil die beiden nicht harmonierten. Daher war der DFB-Rekordnationalspieler mit 150 Länderspielen bei der WM 1998 und der EM 2000 zwar dabei, aber nicht mehr als Kapitän.

Andreas Brehme (8 - EM 1992): Weil sein Kumpel Matthäus wegen eines Kreuzbandrisses die Endrunde in Schweden verpasste, durfte der eher stille Brehme als Vertreter des Vertreters Rudi Völler ran, der sich im Auftaktspiel verletzte. Eine kurze Ära.

Jürgen Klinsmann (36 - EM 1996, WM 1998): Der schwäbische Sonnyboy war Matthäus' Widersacher und triumphierte bei der EM in England als Anführer unter Vogts - Matthäus war aussortiert worden. Als heimlicher Boss der 96er-Europameister galt jedoch Matthias Sammer.

Oliver Bierhoff (23 - EM 2000): Der Mittelstürmer und Golden-Goal-Held von '96 wuchs durch seine diplomatische Art und als Verfechter einer flachen Hierarchie unter Teamchef Erich Ribbeck in die Kapitänsrolle. Und das obwohl Matthäus beim Vorrunden-Aus 2000 dabei war.

Oliver Kahn (49 - WM 2002, EM 2004): Nach der WM 1998 löste der Bayern-Torhüter Andi Köpke als Nummer eins zwischen den DFB-Pfosten ab, wurde bei der WM 2002 in Asien zum "Titan" und besten Spieler des Turniers. Führte die Nationalelf anders als Bierhoff und Klinsmann zuvor wieder deutlich bossiger.

Ballack führte die DFB-Elf zur Heim-WM, Lahm sogar zum WM-Titel

Michael Ballack (55 - WM 2006, EM 2008): Bundestrainer Jürgen Klinsmann degradierte Kahn zugunsten von Jens Lehmann vor der Heim-WM 2006 zur Nummer zwei, ernannte Michael Ballack zum neuen Kapitän. Sein Führungsstil? Mit ausgeprägter Chef-Attitüde, daher der Kabinenspitzname "Capitano".

Philipp Lahm (53 - WM 2010, EM 2012, WM 2014): Weil Ballack vor der WM 2010 kurzfristig ausfiel, übernahm der Münchner Lahm, Vertreter einer neuen Generation. Unter Bundestrainer Joachim Löw führte Lahm das Team ruhig, aber bestimmt von innen heraus – bis auf den Gipfel, den WM-Triumph 2014 in Rio de Janeiro.

Bastian Schweinsteiger (18 - EM 2016): Nach Lahms Rücktritt übernahm Schweinsteiger als logischer Nachfolger. Doch der Mittelfeldspieler befand sich bereits im Herbst seiner Karriere, wurde nur noch partiell topfit, führte das DFB-Team 2016 ins EM-Halbfinale. Weiter kam eine Nationalelf seither nicht mehr bei einem Turnier.

Manuel Neuer (61 - WM 2018, EM 2021, WM 2022): Das Laute, die Chef-Aura auch auszustrahlen ist nicht die Art des Bayern-Torhüters, der mit seiner Leistung überzeugt. Daraus entwickelte sich unter Löw und Hansi Flick ein natürlicher, selbstverständlicher Führungsanspruch. Trat nun aus der Nationalelf zurück.

Ilkay Gündogan (20 - EM 2024): Für den gebürtigen Gelsenkirchener mit türkischen Wurzeln bedeutete das Kapitänsamt so viel, da er zwischenzeitlich wegen seiner Herkunft Anfeindungen ertragen musste. Bei der Heim-EM als Kommunikator und stiller Leader im DFB-Team sehr geschätzt.

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