Vier DFB-Trümpfe für den vierten EM-Titel: "Wir stehen auf, wir packen es an"

München/Herzogenaurach - Okay, 72, 80, 96, 2024 – nein, das funktioniert melodisch nicht. Keinesfalls so gut wie 54, 74, 90, 2006. Und daher haben die Sportfreunde Stiller die Finger davon gelassen, einen Song über die bisherigen drei EM-Triumphe der deutschen Nationalelf zu schreiben. "Mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein...", stand auf einem Transparent vor dem 0:0 im Testspiel in Nürnberg gegen die Ukraine, vier Tage später hing die Fortsetzung "...werden wir Europameister sein!" in der Kurve von Mönchengladbach. Wie gut, dass darauf ein 2:1 gegen Griechenland folgte.
Und am Freitag, wenn es ernst wird beim Auftakt gegen Schottland (21 Uhr, ZDF und Magenta TV) in München? "Ein Brett" nennt Bundestrainer Julian Nagelsmann den Gegner. Die Schotten seien "deutlich besser als man es von außen erwarten würde". Understatement ist angebracht nach den letzten drei Flop-Turnieren mit dem jeweiligen Vorrunden-Aus bei der WM 2018 und 2022 sowie dem Achtelfinal-Aus bei der EM 2021.
Nagelsmann imponiert der "Widerstandsgeist" der DFB-Helden von 1996
Doch das hatten Joachim Löw und in Katar Hansi Flick zu verantworten. Das neue Deutschland-Team wird von Nagelsmann gecoacht und angetrieben, der mit seinen 36 Jahren die DFB-Auswahl als jüngster deutscher Turniertrainer der Geschichte zum Titel führen soll. Mit der Erfahrung von nur acht Länderspielen auf dem noch so jungen Buckel – kein Nationalcoach hatte weniger.
Beim Team der EM-Sieger von 1996 imponierte Nagelsmann deren "Widerstandsgeist". Auch deshalb solle seine Mannschaft diesmal die "typisch deutsche Mentalität" verkörpern – im Sinne von: "Wir stehen auf, wir packen es an", so Nagelsmann. Und zwar den vierten Triumph.
Vier Trümpfe hat das DFB-Team dafür auf seiner Seite...
Nagelsmann: Zwischen Titel-Prämie und Rauswurf bei Vorrunden-Aus
Bundestrainer Nagelsmann: Anders als seine Vorgänger spricht der "Taktikfuchs" (O-Ton Sportdirektor Rudi Völler) das Streben nach dem maximalen Erfolg offen aus: "Man sollte schon davon träumen und sich bei dem einen oder anderen Tagtraum mal vorstellen, wie es ist, im Finale zu sein oder vielleicht das Ding sogar zu gewinnen."
Laut "Bild" würde er beim Titelgewinn – wie die Spieler auch – 400.000 Euro kassieren. Andererseits geht Nagelsmann, der sechs Millionen Euro Grundgehalt verdienen soll, bei einem Aus nach der Vorrunde nicht nur leer aus, sondern ist gar seinen Job los – so die Vereinbarung mit dem DFB. Der klamme Verband könnte dann den bis zur WM 2026 verlängerten Vertrag sofort kündigen und müsste keine Abfindung berappen.
Kroos. "Wenn es Zweifel gibt, was mache ich mit dem Ball, gib ihn mir"
Toni Kroos: Der Mittelfeld-Dirigent gilt als der heimliche Kapitän, sein Comeback im März war das Erweckungserlebnis der Nationalelf, zurückzuführen auf die goldene Idee des DFB-Trainerstabes. Der sechsmalige Champions-League-Sieger helfe den Kollegen mit seiner "Ruhe am Ball extrem", sagte Nagelsmann. Cool, cooler, Kroos. "Toni pinkelt Eiswürfel", meinte Völler. "Es geht um eine gewisse Ausstrahlung", so der 34-Jährige, der seinen Nebenleuten zurief: "Wenn es Zweifel gibt, was mache ich mit dem Ball, gib ihn mir – alles gut."
Wirtz über Musiala: Ich würde mich freuen, später mal mehr Zeit mit Jamal zu verbringen"
Das Duo Musiala/Wirtz: Die beiden Kumpel sind das Kreativzentrum der DFB-Elf. "Jamal und ich sind Spieler, die immer Lösungen suchen, wir sind nicht leicht ausrechenbar. Ich glaube, dass es nicht einfach ist, uns zu verteidigen", findet der Leverkusener Wirtz. Der ebenfalls 20-jährige Musiala vom FC Bayern meinte: "Wir sollen nicht in Schönheit sterben, die Dribblings in den richtigen Momenten machen. Aber, wenn nötig, auch einfach spielen." Wirtz ergänzte: "Keiner von uns darf machen, was er will, es gibt einen klaren Plan."
Auch für die Zukunft? Ab 2025 bei Bayern? Oder Real Madrid? Gemeinsam in einem Verein, darüber hätten beide "schon mal Späße gemacht", so Wirtz, der jedoch betonte: "Wir fühlen uns in unseren Vereinen sehr wohl. Ich würde mich freuen, später mal mehr Zeit mit Jamal zu verbringen."
Die Fans sind heiß, der Euphorie-Teppich ist ausgelegt
Der Heimvorteil/die Fans: Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag von Sky glauben 31 Prozent der Befragten, dass die deutsche Nationalelf den EM-Titel gewinnt. Frankreich (25 %), Spanien (11 %) und England (7 %) folgen dahinter. 81 Prozent der Befragten rechnen mindestens mit dem Viertelfinal-Einzug des DFB-Teams. Der Euphorie-Teppich ist ausgelegt. Nagelsmann sieht seine Stars als "Botschafter im Dienste und im Auftrag" der Nation. Am Freitagabend wird die Rekordeinschaltquote des Jahres erwartet. Und das soll erst der Anfang sein.