Viel Fantasie, fast perfekt
Dortmund - Sie waren auf bestem Wege, das alte Trauma, das Aus im Halbfinale der WM 2006, endlich hinter sich zu lassen, also: die Italiener zu bewingen. Am Ende aber wurde leider nichts aus dem ersehnten Sieg über den Sommermärchenweltmeister. Deutschland und Italien trennten sich gestern in Dortmund 1:1.
Doch was war das für eine starke erste Halbzeit des Teams von Trainer Joachim Löw! „Sie sind köperlich präsent, dominant, sind sehr ballssicher, lassen die Kugel und den Gegner sehr gut laufen. Da passt alles in der Mannschaft”, urteilte Ex-Nationalspieler Mehmet Scholl in der Halbzeit. Tatsächlich wirbelte vor allem der durch Real-Star Mesut Özil verstärkte Bayern-Block in der Offensive ein- ums andere Mal die einst so legendäre Defensive der Italiener durcheinander.
Löw hatte keinen der fünf nominierten Dortmunder im Heimstadion in die Startelf berufen. Von den fünf nominierten Bayern spielten dagegen alle von Anfang an. Und so war auch das 1:0 in der 16. Minute eine Co-Produktion der Real- und Bayern-Stars. Miroslav Klose vollendete cool eine wunderbare Ballstaffette. Den Ball hatte Klose schlussendlich von Thomas Müller vor den Fuß geschossen bekommen, der per Hackentrick von Özil bedient worden war. „Klose, Müller, Schweinsteiger, Özil: Da ist so viel Fantasie drin, toll. Die Jungs haben das Potential, jede Mannschaft der Welt auseinanderzunehmen”, urteilte Scholl.
Um die Squadra Azzurra zu dominieren, langte es allemal.
Wobei die vom neuen Trainer Cesare Prandelli nach dem blamablen Vorrunden-WM-Aus in Südafrika runderneuerte und stark verjüngte italienische Mannschaft die Deutschen vor mehr Probleme stellte als erwartet. Tatsächlich hatten die Azzurri gestern ihre stärksten Phasen, wenn sie versuchten, wie das DFB-Team zu spielen. Mit schnellen Kurzpass-Staffetten bis vor den Strafraum, mit genialen Pässen – meist von Milan-Star Antonio Cassano – in die Spitze. Und das taten sie erstaunlich oft. Das DFB-Team hatte Glück, dass den Italienern die letzte Präzision fehlte, Keeper Manuel Neuer, wie bei de Rossis Weitschuss (37.), wieder mal klasse Paraden zeigte – und dass Schiedsrichter Eric Braamhaar den Azzurri nach einem Foul Mertesackers an Pazzini einen Elfmeter verweigerte (34.).
Nach der Pause brachte Löw in Mario Götze für Müller den ersten Dortmunder. Später durften noch Mats Hummels für Holger Badstuber, Kevin Großkreutz für Klose und außerdem noch Manchesters Boateng für Lahm. Richtig gut tat es der Mannschaft nicht. Die DFB-Elf verlierte ihre traumwandlerische Pass-Sicherheit, ließ sich einlullen – und Italien konterte. Zehn Minuten vor Schluss traf der eingewechselte Giuseppe Rossi, nachdem er Mertesacker und Hummels überlaufen hatte, zum verdienten Ausgleich.
„Die wichtigste Erkenntnis ist, dass die erste Elf funktioniert. Nach den Wechseln war der Spielfluss etwas weg“, meinte Scholl. Löw gab ihm recht: „Wir hätten ein bisschen mehr investieren müssen fürs 2:0 in der 2. Halbzeit“, sagte er. Darum könne man „nicht ganz zufrieden“ sein. Allerdings habe er die Chance nutzen wollen, „mir noch ein paar von den jungen Spielern anzusehen.“ „Wir wollten endlich gegen Italien gewinnen”, meinte Mats Hummels. „Deswegen war es leider kein perfektes Spiel.” Eben nur ein fast perfektes.