VfB-Lautsprecher vs. HSV-Leisetreter

Hamburg/Stuttgart - Wenn der Bundesliga-Abstiegskampf seine Spuren hinterlässt: Zwei Spieltage vor Saisonende hat Trainer Huub Stevens vom Tabellenschlusslicht VfB Stuttgart seine Spieler beschimpft.
Es sei Abstiegskampf, schrie der Niederländer beim Training am Donnerstagvormittag 48 Stunden vor dem Duell mit dem Hamburger SV, als sich seine Mannschaft in einem Kreis um ihn versammelt hatte. Danach stapfte Stevens davon, machte mehrfach eine wegwerfende Handbewegung und bezeichnete die Profis wiederholt als Affen.
Der 61-Jährige war mit dem Trainingsverhalten seiner Profis offensichtlich nicht einverstanden, winkte kurz vor Ende der Einheit immer wieder ab, stürmte wutentbrannt vom Platz.
"Ihr seid Affen, Affen, seid ihr", schrie er. Und: "Hört doch auf!"
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War das eine gewollte Provokation, um seinen Spielern klarzumachen, was da gerade läuft? "Wenn ich das tun müsste, dann wäre ich im falschen Film", erläuterte ein gut gelaunter Stevens später während der Presserunde. Und er scherzte sogar bei der Frage nach möglichen Verboten der VfB-Profis während der Vorbereitung auf das HSV-Duell: "Ich verbiete alles, die dürfen nur noch trinken und essen. Schade für die Frauen."
Öffentliches VfB-Training mit 250 Fans beim VfB, und in Hamburg versammelte Stevens' Kollege Bruno Labbadia seine Schäflein laut "Hamburger Abendblatt" im Stadion zum geheimen Üben. Alles war abgeriegelt, auch die Jalousien im Fan-Restaurant "Raute" waren heruntergelassen.
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Als die Spieler um 11.23 Uhr zur Umkleide liefen, seien sie von fünf klatschenden Fans aus Norderstedt empfangen worden. Sie zeigten ein Transparent mit folgender Aufschrift: "Mit Teamgeist, Willen und Konzentration, umgehen wir die Relegation."
Am Samstag (15.30 Uhr/Sky) treffen der VfB Stuttgart und der Hamburger SV im "Endspiel" im Kampf um den Bundesliga-Klassenerhalt aufeinander. Und es ist das Duell zweier ganz unterschiedlicher Trainer. Sie verbindet obendrein mit dem jeweils anderen Klub eine gemeinsame Vergangenheit. Kurios: Weder Huub Stevens noch Bruno Labbadia sind als Trainer je abgestiegen.
Huub Stevens (61, VfB Stuttgart)
Der Niederländer beherrscht den Kampf gegen den Abstieg. 2007 rettete er ausgerechnet den kommenden Kontrahenten aus Hamburg vor dem Absturz, in der vergangenen Saison gelang ihm das Kunststück auch bei den notorisch kriselnden Schwaben. Besonders wichtig für Stevens ist Besonnenheit. Der 61-Jährige lebt seiner Mannschaft Zuversicht und Freude am Beruf vor.
Notfall-Aktionen gehören nicht zu seinem Repertoire. Vor dem eminent wichtigen Sieg gegen Mainz sagte Sportvorstand Robin Dutt: "Wenn wir jetzt beispielsweise in ein Trainingslager gehen würden, wäre das Aktionismus."
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Also arbeitet Stevens einfach weiter - akribisch und auf das eine große Ziel fokussiert. Mal lobt er seine Spieler und redet sie stark, dann kritisiert er offen und schonungslos. Alles intern, versteht sich. Bislang schaffte es der "Jahrhunderttrainer" des FC Schalke 04 auch hervorragend, die Unzufriedenheit einiger Reservisten nicht auf den Rest des Kaders übergreifen zu lassen.
"Ich will, dass jeder in der Mannschaft das Gefühl hat, dass er spielen könnte", betonte Stevens. Bietet ihm jedoch ein Akteur keine ansprechende Leistung im Training, wie zum Beispiel der frühere Torjäger Vedad Ibisevic, sitzt er auch mal auf der Tribüne.
Bruno Labbadia (49, Hamburger SV)
Dass der Hesse Abstiegskampf kann, hat er beim VfB bewiesen, den er 2011 vor der 2. Liga bewahrte. Beim HSV hat sich der Ex-Profi aber auf eine besonders heikle Aufgabe eingelassen. Er übernahm den zuvor achtmal sieglosen Klub sechs Runden vor Saisonende als Schlusslicht.
Sein Motto: "Wenn nur wenige Wochen bleiben, muss ein Trainer klare Entscheidungen treffen." Also legte er los: Mit deutlichen Ansagen und langen Einzelgesprächen brachte er in den damals leblos wirkenden HSV-Kader Glauben und Leidenschaft zurück. Es wird wieder gelacht, der Coach hat die Stimmung komplett gedreht. Und er lebt vor, was er fordert: Professionalität, Identifikation und absolute Leidenschaft.
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"Er hat uns Spieler mitgerissen, das Umfeld, gefühlt den gesamten Verein. Das ist beeindruckend", berichtete Torhüter Rene Adler. "Als wir anfingen, war der Kopf unter Wasser, wir waren kurz vor dem Ertrinken. Nun gucken die Lippen schon wieder raus, wir können wieder atmen", sagte Labbadia nach sieben Punkten aus den jüngsten drei Partien.
Die "traumhafte Entwicklung" hat er bewirkt mit Maßnahmen, die griffen. Er stärkte dem verunsicherten Torjäger Pierre-Michel Lasogga den Rücken und reaktivierte den schon aussortierten Kämpfer Gojko Kacar. Beide Profis dankten es ihm mit jeweils zwei wichtigen Toren und trugen damit ebenfalls zum Aufschwung bei.
Damit der auch mit der sportlichen Rettung gekrönt wird, trichtert Labbadia seinen Kickern Tag für Tag ein, voll fokussiert auf das gemeinsame Ziel zu bleiben.