Verbalattacken, Tätlichkeiten und Randale

Im harten Bundesliga-Alltag vergisst so mancher seine gute Kinderstube. Ob auf dem Platz oder abseits des Feldes, das Fußball-Oberhaus gab am Samstag eine wenig vorbildhafte Vorstellung.
von  Abendzeitung

Im harten Bundesliga-Alltag vergisst so mancher seine gute Kinderstube. Ob auf dem Platz oder abseits des Feldes, das Fußball-Oberhaus gab am Samstag eine wenig vorbildhafte Vorstellung.

Hätte man in der Bundesliga am Sonnabend Kopfnoten verteilt, so wäre man an dem Eintrag «versetzungsgefährdet» nicht vorbei gekommen. In den Kategorien Betragen, Mitarbeit und Fleiß lieferte die Liga ein erschreckendes Bild. Schon einen Tag danach schaltete sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ein, um für Ordnung zu sorgen. Er bestellte in dem Stuttgarter Mario Gomez eine der Hauptfiguren des Spieltags vor den verbandseigenen Kontrollausschuss.

«Aber dieses Arschloch»

«Normalerweise respektiere ich im Fußball jeden Gegenspieler. Aber dieses Arschloch... Er ist einfach ein unfairer Sportsmann», so das deftige Urteil des Nationalstürmers vom VfB über seinen stets unangenehmen Gegenspieler Maik Franz vom Karlsruher SC. Man könnte es für einen verbalen Ausrutscher in einem Premiere-Interview kurz nach Spielende halten. Doch knapp anderthalb Sunden später legte Gomez nach. «Ich stehe dazu. Das ist die Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Weiter darüber zu sprechen, wäre reine Zeitverschwendung.»

Die Reaktion des forschen Innenverteidigers vom KSC lässt unmissverständlich auf gegenseitige Abneigung schließen. «Mario ist ein guter Fußballer, aber alles andere ist vielleicht noch verbesserungswürdig. Ich will mich nicht auf das Niveau herablassen», gab Franz ebenfalls noch am Spielfeldrand zu Protokoll. Sicher, bei diesem Spiel handelt es sich um ein Derby, in dem generell die Wellen der Emotionen etwas höher schlagen als gewöhnlich. So mußte auch KSC-Coach Becker eingestehen: «Das sind heißblütige Jungs, die am Rande der Legalität spielen.»

Die Rechtfertigung eines Derbys hatte der Bremer Spielmacher Diego in Frankfurt nicht zur Hand. Und im Gegensatz zum Stuttgarter Gomez, der mit seinem Treffer zum 1:0 den VfB auf die Siegerstraße brachte, gibt der Brasilianer auch einen hervorragenden Sündenbock ab. Wenn der Ballzauberer vom Zuckerhut nach seinem Ausraster vor 51.500 Zuschauern in der Commerzbank-Arena länger gesperrt wird, fehlen nicht nur die drei Punkte vom Frankfurt-Spiel. Die Bremer müssten dann im Meisterschaftskampf ohne ihren Schlüsselspieler auskommen.

«Fuck you and stand up»

«Fuck you and stand up», nach diesen Worten ließ sich Diego zu einer dummen Tätlichkeit gegen den provozierenden Abwehrspieler Sotiris Kyrgiakos hinreißen und wurde in der 40. Minute von Schiedsrichter Fleischer des Feldes verwiesen. In Anlehnung an den legendären Kopfstoß von Zinedine Zidane im WM-Finale 2006, rammte der kleine Brasilianer, die Schulter voraus, den 1,93 Meter großen Griechen mit voller Wucht um.

Aber schon kurz danach zeigte sich der Nationalspieler der «Seleção» einsichtig. «Ich bin traurig, dass ich mich dazu hinreißen ließ und der Mannschaft geschadet habe. Dafür entschuldige ich mich bei meinen Mitspielern und dem Trainer.» Doch die Beurteilung dieser Szene von Verantwortlichen beider Vereine offenbarte unterschiedliche Ansichten.

Kontroverse Meinungen

«Natürlich kann man seine Reaktion nicht gutheißen, aber sehr gut nachvollziehen. Diego wurde zuvor fünf, sechs, sieben Mal gefoult und von draußen wurde gegen ihn Stimmung gemacht. Der Schiedsrichter hat diesem Druck nachgegeben», nahm Werders Manager seinen Spieler in Schutz und schob den schwarzen Peter einfach weiter. Thomas Schaaf ging sogar noch weiter. «Es ist ein absolutes Wunder, dass er sich so lange im Griff hatte», so der Bremer Coach über den meistgefoulten Spieler der Liga.

Sein Frankfurter Trainerkollege Friedhelm Funkel sah alles ein bisschen anders. «Er ist nicht provoziert worden. Man weiß, dass auf dem Platz manchmal derbe Worte fallen. Solche verbalen Auseinandersetzungen gehören einfach dazu.» Die Umgangsformen auf dem Rasen sind also nicht die besten, manch Reaktion aus dem Umfeld trägt nicht zur Besserung bei und hinterläßt gerade bei den Anhängern Spuren.

Festnahmen in Stuttgart

Und so sorgten auch die Fans mal wieder für negative Schlagzeilen. Die aufgeheizte Stimmung im mit 55.000 Zuschauern ausverkauften Gottlieb-Daimler-Stadion führte zu einer Spielunterbrechung von mehreren Minuten. Leuchtraketen landeten auf dem Rasen knapp neben einigen Spielern, mehr als 50 Stadionsitze wurden zerstört. Nach Polizeiangaben kam es zu Körperverletzungen und Hausfriedensbruch, so dass rund zwei dutzend vorwiegend Stuttgarter Fans vorübergehend in Gewahrsam genommen werden mussten.

Auch in Bielefeld eskalierte die Stimmung. Aufgebrachte Fans wollten in das Innere der Haupttribüne vordringen und konnten nur von einem starken Sicherheitsaufgebot gestoppt werden. Man kann der Liga also ein klares «Ungenügend» im Betragen bescheinigen.

Ordnungshüter DFB

Um die Kopfnoten komplett zu machen, wendet sich der Blick auf den sportlichen Bereich. Doch nur kurz. Bei nur neun Toren in sechs Samstag-Spielen und erschreckend langweiligem Fußball wie in Dortmund oder Bielefeld, kann man auch Mitarbeit und Fleiß nicht positiv erwähnen. Bleibt nur zu hoffen, dass es mit der Ordnung klappt. Eine erste Reaktion auf eben diesen Versuch des DFB gab es bereits aus Stuttgart.

Nachdem mit der Einschaltung des Kontrollausschusses und eines möglichen Verfahrens Konsequenzen drohen, ruderte man in Stuttgart zurück. «Die Art und Weise, wie ich meinem Unmut über seine Art zu spielen, Luft gemacht habe, war so nicht okay. So etwas sollte mir trotz aller Emotionen einfach nicht passieren», verkündete Gomez auf seiner Homepage. «Ich darf mich in Zukunft nicht mehr so provozieren lassen.» (nz/dpa)

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