Van Bommel im AZ-Interview: So hilft er Robben
Mark van Bommel, der Kapitän von DFB-Gegner Holland, erklärt, wie sein Schwiegervater van Marwijk tickt– und wie er Arjen Robben hilft.
AZ: Wie dürfen wir uns einen Kaffee-Nachmittag vorstellen, wenn van Bommels bei Oma und Opa van Marwijk sind?
MARK VAN BOMMEL: Wir haben Teller, Tassen, Löffel und Gabeln auf dem Tisch.
Und die Oma hängt ein Schild an die Tür: „Fußball-Diskussionen verboten”?
Das kann sie gerne versuchen, aber sie wird es nicht schaffen. Ich habe zwei Söhne und ein Mädchen. Da geht nichts ohne Fußball. Wenn sie es jemals vorhatte, hat sie es längst aufgegeben.
Der Opa spielt mit?
Wenn wir uns mal sehen, schon. Aber die letzten Jahre, als ich in München und Mailand war, haben wir uns eher selten gesehen, die letzten sieben Jahre eigentlich nur im Urlaub. Dann gibt’s weniger gemeinsamen Fußball.
Ist das nicht ein komisches Gefühl, mit dem Schwiegervater am Tisch zu sitzen, der gleichzeitig Nationaltrainer ist?
Beim Kaffee ist das weniger komisch, ich habe meine Frau ja geheiratet, bevor er Nationaltrainer wurde. Unter Nationaltrainer Marco van Basten hatte ich aufgehört, in unserer Nationalelf zu spielen. Ich kam erst mit meinem Schwiegervater zurück.
In den Niederlanden gab es keine Diskussion, weil der Schwiegersohn vom Schwiegervater aufgestellt wird und wieder spielt?
Ich kann mich an keine langen Debatten erinnern.
Sie hatten selbst kein komisches Gefühl?
Ich vielleicht viel mehr als alle anderen. Ich habe schon Druck gespürt. Vielleicht kann man sagen, ich musste die ersten fünf bis zehn Spiele nachweisen, die Mannschaft kann mit mir stärker sein. Diesen Druck habe ich gespürt, obwohl im Nationalteam immer ein gewisser Druck da ist, aber dieser war neu und anders.
Sie haben die Prüfung bestanden?
Die anderen Spieler haben mich schnell akzeptiert. In den ersten zwei, drei Spielen habe ich van der Vaart ein Tor aufgelegt, dann gegen Norwegen selbst eines geschossen. Ich habe gezeigt, ich meine es ernst und will hier etwas bewirken. Es ist ein Kompliment für uns, dass wir normal mit der Sache umgegangen sind.
Welcher Job ist für Bert van Marwijk denn schwieriger: Ihre Kinder zu bändigen oder die niederländische Auswahl?
Hmmm, Fußballspieler und selbst Nationalspieler sind manchmal auch wie Kinder. Aber ich denke, es sind alle drei van-Bommel-Kinder, die am Ende doch etwas mehr Mühe bereiten.
Ihre Söhne haben das Talent vom Vater?
Beim Kinderturnier hier im Teamhotel waren sie dabei. Thomas kann den Ball in der Bewegung schon gut mitnehmen, hat eine gute Technik.
Kann ein Spieler wie Sie Vorbild sein, der als „Aggressiv-Leader” gilt und manchmal als Großmeister des taktischen Fouls?
Es ist schon gut, wenn sie manches nicht sehen. Wenn es hitzig zugeht, finden Dinge auf dem Rasen statt, die du sonst auch nicht machst.
Man denkt als Vater und Profi über so etwas nach?
Ja, sicher. Die Kinder sollen das auf dem Trainingsplatz nicht auch so machen. In der Hektik auf dem Platz denkst du da nicht drüber nach, aber später schon.
Neben dem Ruf, ein hervorragender Stratege und Teamplayer zu sein, sind Sie auch der Rüpel, der schon mal hinlangt?
Jede Mannschaft hat solche Spieler. Ich habe noch nie einen aus den Schuhen getreten.
Es geht darum, mal ein „Zeichen” zu setzen, wenn es nötig ist?
Man ist für seine Mannschaft da und die braucht wie jede andere auch manchmal einen Push, wenn wir ein Spiel noch drehen wollen. Um das einmal klar zu stellen: Ich bin kein bösartiger Spieler. Aber es gab Momente, die hätte ich im Nachhinein gerne anders gelöst.
So wie eben, als Sie fürs Fernsehen auf Campingstühlen vor einem orangefarbenen Zelt saßen und sehr witzig und charmant wirkten?
Das war fürs Kinderfernsehen. Die lassen sich für jede Sendung etwas anderes einfallen. Bei uns Zuhause ist das Programm ein Hit. Alle schauen das.
Und gleichzeitig bedienen Sie schräge Klischees, etwa alle Niederländer lieben Camping und fluten ganz Europa mit Wohnwagen und Fritteusen?
(lacht) Ich verrate Ihnen was: Ich war noch nie beim Camping. Ich mag es einfach nicht. Eben war ich das erste Mal beim Campen.
Schwieriger ist es mit der Ansicht, die Niederlande spielen schön...
...und gewinnen nichts. Das hängt auch mit unserer Kultur zusammen. Bei uns heißt es, du musst schön spielen und gewinnen, dann sind die Leute zufrieden, wenn du nur gewinnst, sind sie das nicht.
Das passt zur Diskussion, ob im Spiel der Mannschaft nicht zu viel Sicherheitsdenken Einfluss gewonnen hat.
Es hat sich einiges geändert. Wir wollen immer angreifen und nach vorne spielen. Wie gesagt, das ist unsere Kultur. Aber wir haben viele Spieler im Ausland, und dort geht es zuerst einmal darum, zu gewinnen, egal wie. Das mischt sich dann, und wir versuchen, die beiden Dinge zu kombinieren, wenn wir uns treffen. Aber Sie haben recht, es bleibt ein Zwiespalt, es heißt eigentlich immer: Realisten gegen Romantiker.
Die Mannschaft für die EM 2012 ist anders?
Viele Spieler haben auch das andere Gen. Wir wollen Zauberfußball spielen, wenn es geht, keine Frage, aber wir wollen zuerst gewinnen, und das mit einer Taktik, die uns die größte Chance dazu bietet.
Es ist lange her, dass die Niederlande den letzten Titel gewonnen haben.
Das stimmt. 1988, das sind 25 Jahre, oder so. Aber wir stehen auf dem Standpunkt, wenn wir mit unserem Fußball die Welt verändern, dann ist es okay, wenn wir im Halbfinale ausscheiden. Wir wollen natürlich den Titel, aber keiner verlangt das von uns.
Sie haben Arjen Robben geraten, zumindest darüber nachzudenken, die Bayern zu verlassen, weil er im Testspiel im Trikot der Niederlande gegen die Bayern ausgepfiffen wurde.
Ich war einfach sehr enttäuscht. Ich habe hier viereinhalb Jahre gespielt und so etwas noch nie erlebt. Ich habe das sicher aus der Emotion heraus gesagt. Aber Arjen ist eine starke Persönlichkeit, und wir helfen ihm, das zu vergessen, und wir schauen auf uns und nicht auf andere. Wir brauchen einen guten Start gegen Dänemark, weiter denken wir erst einmal nicht.
Könnten die Pfiffe damit zu tun haben, dass er im niederländischen Trikot spielte?
Das wäre dann wirklich Kindergarten.
Ein Wort zur deutschen Mannschaft?
Wollen Sie jetzt hören, dass Sie eine starke Mannschaft haben?
Zum Beispiel.
Sie haben eine starke Mannschaft, aber wir wollen gewinnen. Und wir sind stark genug. Anders als beim 0:3 in Hamburg. Das war ein Heimspiel und wir haben nicht gut gespielt. Das nächste Mal wird das hoffentlich anders sein.
Wird der Frust der vielen Münchner Spieler nach dem verlorenen Champions-League-Finale Einfluss auf die EM haben und ist das ein Vorteil für die Konkurrenz?
Das glaube ich nicht. Wir haben schließlich auch einen Spieler, der dabei war.
Sie haben Ihren Abschied angekündigt, wenn Holland die EM 2012 gewinnt.
Das habe ich gesagt, aber ich lasse mir das doch lieber offen.
Und der Opa war beim Kinderturnier mit dem Nachwuchs der Familie van Bommel zufrieden?
Er hat drei Beinschüsse von Thomas gesehen. Sie haben 5:0 gewonnen. Heute war er zufrieden.
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