Van Bommel - Auslaufmodell Aggressiv-Leader
Mark van Bommel, Kapitän der Holländer, tut sich schwer – doch Ersatz ist nicht in Sicht
KIEW Seine Rückennummer sieht aus wie aus dem digitalen Steinzeitalter. Die Ziffer sechs, die Mark van Bommel auf dem Jersey mit sich trägt, hat keinerlei Rundungen, geschweige denn etwas Kunstvolles. Sondern ein Quadrat, ein Strich – fertig. Bei keinem Spieler der niederländischen Nationalmannschaft passt das so gut wie dem Kapitän. Einer ohne Schnörkel. Der 35-Jährige sollte mit seinem Arbeits-ethos eigentlich dazu dienen, wie bei der WM 2010 die Balance zu bewahren, doch bei dieser EM geht van Bommel gerade als Synonym für die orange Unwucht voran. Die Elftal ist auch deshalb für das zweite Gruppenspiel am Mittwoch gegen Deutschland in Charkow unter immensen Erfolgsdruck geraten, weil es an zentraler Stelle klemmt.
Was auch den Chefkritiker Johan Cruyff auf den Plan gerufen hat. „Spieler wie Mark van Bommel und Nigel de Jong hatten gegen Dänemark viel zu viel Ballbesitz, obwohl das nicht ihre Stärke ist”, schrieb die lebende Spielmacher-Legende in einer Kolumne. Und hat Trainer Bert van Marwijk nicht erst kurz vor dem Turnier aufgezählt, was eigentlich verlangt wird? „Das Wichtigste ist heutzutage das Tempo, das schnelle Umschalten. Gerade wenn du den Gegner unter Druck setzten willst, musst du beschleunigen, um ihn zu überraschen”, sagte er.
Dummerweise ist sein Schwiegersohn dazu nicht mehr in der Lage, was die Spielstatistik nach dem Dänemark-Spiel schonungslos offenlegte: Van Bommel hatte zwar eine akzeptable Passquote aufzuweisen (76 Prozent), doch nur 15 seiner Zuspiele gingen an die offensiven Vier, an Außen Arjen Robben und Ibrahim Affelay oder vorne an Wesley Sneijder und Robin van Persie.
Hauptproblem der Elftal: Den aus dem Hinterhalt agierenden, strategisch geschulten Mittelfeldman führt die Niederlande nicht im Aufgebot. Nicht umsonst haben die Bayern-Bosse nicht interveniert, als Louis van Gaal seinem Landsmann van Bommel vor anderthalb Jahren keine Einsatzgarantie mehr ausstellen wollte – der „Aggressiv-Leader” flüchtete zum AC Mailand.
Er wird nächste Saison seine Karriere beim PSV Eindhoven ausklingen lassen. Und insistiert, dass die Oranjes noch immer in der Lage seien, gegen Deutschland und Portugal zu gewinnen. Dafür kann ja auch das rustikale Repertoire helfen. Oder bringt er Rafael van der Vaart als Nebenmann? Eine Variante, die nicht frei von Risiken ist – aber den Erben der Europameister von 1988 bleibt ja gar nichts anderes übrig, als volles Risiko zu gehen.