Unverzichtbar und angezählt: Die Gewinner und Verlierer der Länderspiele
Längst sind die Nationalspieler über alle Berge, längst über die Wolken entschwebt zu ihren Urlaubszielen. Die strapazierten Füße genießen die Flipflop-Zeit. Endlich Luft, endlich Freizeit.
Noch am Dienstagabend herrschte rund um den Mönchengladbacher Borussia-Park ein Gefühl wie am letzten Schultag vor den Sommerferien. Mit dem Unterschied, dass die deutsche Nationalelf noch eine letzte Prüfung zu bestehen hatte, einen "Stresstest", wie es Bundestrainer Hansi Flick formulierte. Seine Schüler bestanden diesen mit Bravour, siegten überzeugend mit 5:2 gegen Europameister und Nicht-WM-Teilnehmer Italien und holten sich den ersten Erfolg in der diesjährigen Nations-League-Ausgabe.
Flick nach Sieg über Italien stolz
Nach drei mageren 1:1-Resultaten in Italien, gegen England und in Ungarn machte Flick, seit mittlerweile schon 13 Partien ungeschlagen (vier Remis), "der Mannschaft ein Riesenkompliment" und ergänzte: "Die Mannschaft hat alles umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben."
Bleibt Flick wie einst Jupp Derwall ab Oktober 1978 ganze 23 Partien ohne Niederlage, dann hält der 57-Jährige kurz vor Weihnachten in Doha wahrscheinlich die WM-Trophäe in Händen. Wer konnte die vier Juni-Spiele nutzen, um Eigenwerbung für die WM zu betreiben? Wer dagegen hat Minuspunkte gesammelt und muss nun zittern?
Hier sind Flicks Gewinner und Verlierer:
Die Gewinner

Manuel Neuer: Obwohl er in keiner der vier Partien zu null spielen konnte und insgesamt fünf Gegentreffer kassierte, konnte der 36-Jährige seine Ausnahmestellung als unantastbare Nummer eins zementieren. Flick schwärmte: "Manu ist ein absoluter Weltklasse-Torhüter. Das gilt für die Torverteidigung, aber auch mit dem Ball. Er hat die Ruhe, Gelassenheit und die Qualität, die Pässe so zu spielen, dass der, der sie bekommt, damit etwas anfangen kann."

Jonas Hofmann: Nach einer unterdurchschnittlichen Saison mit Gladbach spielte sich der Rechtsaußen mit frischen und mutigen Auftritten in die erste Elf, traf gegen England und in Ungarn. Hofmann zeigt keine Allüren, stellt keine Ansprüche und erfüllt seine Aufgabe. Hat den WM-Platz samt Chance auf viele Einsätze sicher.

Jamal Musiala: Der 19-Jährige bekam von Flick zwei Mal von Beginn an das Vertrauen und war gegen England sowie in Ungarn neben Hofmann der beste Offensiv-Akteur. Sein schlaues Passspiel und seine schlangenartigen Bewegungen machen den ballsicheren Teenager im Grunde unverzichtbar.
Die Verlierer

Marc-André ter Stegen: Neuers einstiger Herausforderer, Deutschlands Nummer zwei vom FC Barcelona wurde für die vier Nations-League-Partien erst gar nicht nominiert. Aus Gründen der Schonung, hieß es. In Katar wird ihm auch nur die Rolle als Zuschauer bleiben. Ob ter Stegen mit diesen Aussichten mitfährt?

Leroy Sané: Der Flügelstürmer der Bayern bekam nach einem ganz schlappen Auftritt ohne jede Körperspannung gegen England einen dicken Rüffel von DFB-Direktor Oliver Bierhoff ("Am Ende musst du dich da als Spieler auch rauskämpfen") und bemühte sich, gegen Italien Engagement und Leistungswillen auch per Körpersprache auszustrahlen. Dennoch: Sein Stammplatz wackelt.

Timo Werner: Obwohl der viel kritisierte Chelsea-Stürmer nach drei Torlos-Auftritten zunächst auch gegen Italien höchst glücklos agierte und ihm nichts mehr gelingen wollte, konnte er noch zwei Treffer erzielen. Der Schwabe ist ein Stimmungsspieler, dem Flick bedingungslos die Treue hält. "Es ist wichtig, dass die Spieler Vertrauen spüren", betonte der Bundestrainer. Dennoch: Ein echter Knipser mit Torjäger-Gen ist und bleibt Werner nicht.

Karim Adeyemi: Der künftige Dortmunder erhielt von Flick eine deutliche Ansage. "Karim muss noch eine Entwicklung machen", sagte der Bundestrainer über den 20-jährigen Flügelstürmer und erklärte: "Im Moment ist Lukas Nmecha einen Tick weiter vorne. Karim muss den nächsten Schritt machen beim BVB." Um sich sein WM-Ticket zu verdienen. Der körperlich robustere Mittelstürmer Nmecha vom VfL Wolfsburg hat bessere Karten.