„Uneinsichtiger Gewalttäter“
MÜNCHEN - Hat Kevin-Prince Boateng bei seiner Entschuldigung an Ballack gelogen? Der verletzte Kapitän behauptet das – und dessen Berater erwägt nun sogar, den Treter zu verklagen.
Jetzt ist Michael Ballack (33) also auf Sizilien. Auf Krücken und mit Familie. Bei der WM wird er nicht spielen können, aber wenigstens im Regenerations-Trainingslager der Nationalelf gibt er noch den Kapitän: „Ich will kein Mitleid“, sagt er, „sondern positive Signale setzen.“ Das ist löblich. Umso mehr, weil es in ihm brodelt.
Denn Ballack ärgert sich – über Kevin-Prince Boateng, der ihm im englischen Pokalfinale mit einem Tritt die schwere Knöchelverletzung zugefügt hat. Boateng, gebürtiger Berliner und Nationalspieler Ghanas, hat sich inzwischen entschuldigt (AZ berichtete) – mit dem Hinweis, er habe dies ja schon auf dem Rasen zweimal getan.
Das regt Ballack auf: „Nein, das stimmt nicht. Natürlich bin ich verärgert, und die Enttäuschung ist auch riesengroß.“ Ballacks Berater Michael Becker wird deutlicher: „Diese nachgeschobene Entschuldigung ist frei erfunden. Das ist eine reine Schutzbehauptung eines uneinsichtigen Gewalttäters, der schon des Öfteren in dieser Richtung auffällig geworden ist.“
Becker („Eine Sauerei!“) erwägt sogar eine Klage: „Meiner Meinung nach handelt es sich bei Boatengs Attacke nicht nur um einen hinterhältigen Tritt, sondern um Körperverletzung mit Ansage. Wir behalten uns ausdrücklich eine juristische Bewertung vor. Das umfasst sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Konsequenzen.“
Ob das die Wut deutscher Fans auf Boateng noch nährt? In Internetforen wird er beleidigt, bei Facebook hat die Gruppe „82000000 gegen Boateng!!!!“ einen Tag nach ihrer Gründung 60 000 Mitglieder. Ballack sagt: „Ich habe keine Beziehung zu dem Spieler und weiß gar nicht, was in dessen Kopf vorgeht.“
Immerhin, von seinem Klub FC Chelsea hat er offenbar Signale erhalten, dass sein auslaufender Vertrag trotz der Verletzung verlängert wird: „Ich gehe davon aus, dass es für mich bei Chelsea weitergehen wird.“ Ob er als Zuschauer zur WM nach Südafrika reist, will er vom Genesungsprozess abhängig machen.
Wer wird ihm beim Turnier als Kapitän ersetzen? Ballacks Favorit ist Bayern-Star Bastian Schweinsteiger: „Er hatte ein gutes Jahr. Es wird natürlich jetzt noch mehr auf ihn geschaut. Aber ich halte ihn absolut für stabil genug, dass er diese Rolle gut ausfüllt.“
Bei Bayern sieht man das offenbar genauso. Vorstand Karl-Heinz Rummenigge sagt: „Ich bin überzeugt, dass Bastian Schweinsteiger, der eine fantastische Saison spielt, der eine Entwicklung genommen hat, vor der man nur den Hut ziehen kann, sicherlich seinen Beitrag dazu leisten wird, dass Deutschland auch ohne Michael Ballack eine erfolgreiche WM spielen kann.“
Präsident Uli Hoeneß favorisiert eine andere Lösung: „Ich würde verstehen, wenn Jogi Löw die Entscheidung von Louis van Gaal übernimmt und Philipp Lahm als Vizekapitän nun auch zum Kapitän macht. Philipp hat ja bewiesen, dass er mit der Rolle zurechtkommt. Es wäre ungewöhnlich, wenn Jogi Löw da etwas ändert.“ Über Ballack sagt Hoeneß: „Das ist wahnsinnig schwierig für ihn zu verdauen, das ist fatal. Es war die letzte Chance, für ihn Weltmeister zu werden. Das ist tragisch.“ Da bekommt Ballack doch noch Mitleid.
ill, ps