Türkei qualifiziert: Eklat bei Schweigeminute

Es hätte alles so schön sein können - doch ein Eklat bei der Schweigeminute trübte die Freude der Türkei über die kaum für möglich gehaltene direkte EM-Qualifikation.
von  sid
Außer Rand und Band: Die türkischen Nationalspieler nach dem 1:0 gegen Island.
Außer Rand und Band: Die türkischen Nationalspieler nach dem 1:0 gegen Island. © dpa

Konya - Aus der Spielerkabine dröhnte "Oooh Türkiyeeee" und in der Heimat feierten die Menschen ausgelassen auf den Straßen das "Wunder", doch ein Eklat bei der Schweigeminute legte einen Schatten auf die Feierlichkeiten.

Mit der direkten EM-Qualifikation in letzter Minute schenkte die türkische Fußball-Nationalmannschaft den Landsleuten nach dem verheerenden Terroranschlag von Ankara zwar neue Freude, aber gegen die gesellschaftliche Spaltung scheint auch der Fußball machtlos.

Als der Leverkusener Bundesligaprofi Hakan Calhanoglu und seine Teamkollegen vor dem 1:0 (0:0) gegen Island Arm in Arm und mit gesenkten Köpfen der rund 100 Toten des Attentats bei einer Friedensdemonstration in Ankara gedachten, waren Buhrufe und Pfiffe im Stadion der konservativ-religiös geprägten Stadt Konya unüberhörbar.

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Diese Szene sorgte in sozialen Netzwerken für große Empörung. Nachdem Selcuk Inan die in Unterzahl spielenden Türken aber in der 89. Minute mit einem traumhaften Freistoßtor als besten Gruppendritten zur EM geschossen hatte, war auf den Rängen nur noch Jubel zu vernehmen.

"Wir sind glücklich, dass wir unseren Landsleuten Freude schenken konnten", sagte Nationaltrainer Fatih Terim. Er gab angesichts der Katastrophe von Ankara aber zu: "Mir wäre es lieber, kein einziges Kind wäre gestorben, und wir hätten uns nicht für die Europameisterschaft qualifiziert."

 

 

Auch Calhanoglu wurde nach dem Schlusspfiff von seinen Gefühlen übermannt: "Als es vorbei war, musste ich mit den Tränen kämpfen." Der entscheidende Freistoß aus rund 25 Metern in halblinker Position war eigentlich wie für ihn gemalt, doch der Bayer-Profi war zu diesem Zeitpunkt bereits ausgewechselt worden.

Also nahm Selcuk Anlauf - und der 30-Jährige zirkelte den Ball kunstvoll in den Winkel. "Sensationelles Tor, Selcuk Inan", twitterte Calhanoglu: "Aber erzähl mal, von wem du diesen Freistoß gelernt hast." Auch der deutsche Nationalspieler Lukas Podolski, der seit dieser Saison Selcuks Teamkollege beim türkischen Spitzenklub Galatasaray Istanbul ist, schickte via Twitter Glückwünsche an die Mannschaft.

 

 

Die Türken waren in der schweren Qualifikationsgruppe A erst spät in Schwung gekommen, doch die letzten Auftritte lassen für die Endrunde in Frankreich hoffen. "Die Qualifikation für die EURO 2016 begann als Albtraum und sie endet in einem Märchen", schrieb die Zeitung "Fanatik".

Das Blatt "Hurriyet" verkündete in großen Buchstaben, dass ein "Wunder" geschehen sei. "Wir haben als Mannschaft in den letzten vier bis fünf Spielen einen Riesenschritt gemacht", sagte der in Mannheim geborene Calhanoglu: "Ich bin sehr stolz auf mein Team und mein Land."

Ein Vater des Erfolgs ist zweifelsohne Terim. Der "Imperator", wie der für seinen autoritären Führungsstil bekannte Trainer in seiner Heimat genannt wird, führte die türkische Nationalmannschaft bereits zum dritten Mal zu einer Europameisterschaft.

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